07.02.2014
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Michael Albert, Publizist, Aktivist und Ökonom, Mitbegründer von ZMag und ZNet, Autor von  "Realizing Hope. Life Beyond Capitalism" und "Parecon" ("Participatory Economics" / "Partizipative Ökonomie")

Bereits vor über 20 Jahren entwickelt Michael Albert ein alternatives ökonomisches System. Es stellt nicht nur eine Alternative zum Kapitalismus dar, sondern auch zu einem zentral geplanten Sozialismus und der Idee eines Bio-Regionalismus, in dem Regionen wirtschaftlich unabhängig voneinander funktionieren sollen. Das Konzept nennt sich „Participatory Economy“, partzipative Ökonomie. Anstatt Konkurrenz und Ungleichheit zu fördern stellt sie Solidarität und wechselseitige Hilfe ins Herz der Ökonomie. Um dieses Ziel zu erreichen sollten nach Albert vier alternative Institutionen geschaffen werden: Sich selbst verwaltende Arbeiter- und Konsumentenversammlungen, gleichmäßige Einkommensverteilung nach Intensität, Dauer und Belastungsgrad sozial wertvoller Arbeit, ausbalancierte Arbeitskomplexe und partizipatorische Planung. Das Ziel müsse Klassenlosigkeit sein. Partizipative Ökonomie will dabei nicht nur den Markt und die 2-Prozent-Besitzerklasse als treibende Kräfte der Wirtschaft auflösen, sondern auch die Arbeitsteilung. Die selbstverantwortlichen Tätigkeiten, auf die eine 20-Prozent-Koodiniererklasse aus Ingenieuren, Rechtsanwälten und Managern ein Monopol besäßen, müssten gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt werden.

Auch vor der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008, dem teilweisen Zusammenbruch des Systems, habe sich der Kapitalismus in einer Krise befunden. „Der Unterschied zwischen der derzeitigen Krise und der Dauerkrise ist, dass die aktuelle Krise auch die Mächtigen und Reichen trifft. Daher wird darüber geredet und öffentlich debattiert. Daher müssen Lösungen gefunden werden. Vor dem Finanzchaos starben jedes Jahr zehn Millionen Menschen weltweit, wahrscheinlich sogar hundert Millionen an vermeidbaren Krankheiten und Hunger, obwohl das vermeidbar war“, so Albert. Das Leiden vieler Menschen, die selbst in den Industrienationen wie den USA unterhalb der Armutsgrenzen lebten, sei nicht Resultat des Finanzcrashs und des Wirtschaftsabschwungs, auch wenn diese die Situation der Ausgegrenzten verschärften. Eine wirkliche Lösung der Krise könne daher nicht darin bestehen, den status quo vor der Krise wieder herzustellen, während die Eliten ihre alten Positionen bewahrten. Das sei jedoch der Weg, den die Regierungen eingeschlagen hätten. Eine alternative Krisenbewältigung müsste tatsächliche Gerechtigkeit und Fairness anstreben. Die Entwicklung und Verwirklichung von Alternativen sei notwendig. Die Proteste und Bewegungen sollten ihre Forderungen darauf ausrichten.

Eine alternative Wirtschaftsweise in Betrieben umzusetzen stoße notwendiger Weise auf eine Reihe von Problemen, sagt Albert. Das könne man sehr gut an den hunderten Betriebsübernamen in Argentinien im Zuge der Wirtschaftskrise im Jahr 2001 sehen. Albert schildert Begegnungen mit argentinischen Arbeitern, die bankrotte Firmen übernahmen, die von ihren Besitzern und Koodinierern aus Managern, Ingenieuren und Buchhaltern verlassen wurden. Während man es schaffte, die Betriebe wieder zum Laufen zu bringen, scheiterten die „Take Overs“ gleichzeitig, eine alternative Wirtschaftsweise aufzubauen. In nur wenigen Jahren herrschten wieder Hierarchien und Entfremdungen, nun ohne Eigentümer, so die Klagen vieler Arbeiter. Der Grund dafür sei jedoch nicht, so Albert, dass die Menschen keine Alternative zuließen, sondern dass die Übernahmen weiter an Arbeitsteilung und Märkte gebunden blieben. Es gäbe zwar keine Besitzer mehr, aber eine neue Koodiniererklasse hätte das Ruder übernommen und erzeugte wieder Hierarchien, während Märkte die Ungleichheiten verstärkten. Um eine nachhaltige Änderung zu bewirken, müssten auch diese Institutionen durch Alternativen ersetzt werden, während die partizipatorischen Projekte sich gleichzeitig miteinander vernetzen und koodinieren sollten.