27.02.2019
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Einleitung: 

Jahrzehnte neoliberaler Politik und Ideologie haben weltweit den Zusammenhalt von Gesellschaften ausgehöhlt und die Grundlagen für den Aufstieg rechter Demagogen und Faschisten geschaffen, so George Monbiot. Währenddessen bewegen wir uns weltweit immer schneller auf einen Klimakollaps und einen Zusammenbruch der Nahrungsmittelproduktion zu. Die industrielle Landwirtschaft, insbesondere die Fleischproduktion, sei einer der Hauptfaktoren für die fortschreitende Zerstörung von Artenvielfalt, Böden, Süßwasserreserven und Wäldern. Die UN haben bereits gewarnt, dass weltweit nur noch 60 Ernten verbleiben, wenn die Landwirtschaft nicht rasch und grundlegend verändert wird. Neben „direkten Aktionen“ etwa von „Extinction Rebellion“ und „Fridays for Future“ brauche es aber auch dringend ein neues emanzipatorisches Narrativ, so George Monbiot, um den moralisch, ökonomisch und politisch bankrotten Neoliberalismus abzulösen.

Gäste: 

George Monbiot, Kolumnist beim Guardian und Buchautor ("United People: Manifest für eine neue Weltordnung", "Hitze", "Out of the Wreckage. A New Politics for an Age of Crisis")

Einsamkeit inzwischen epidemische Ausmaße an und verursacht schwere psychische und physische Erkrankungen. Die Wurzeln dieser Epidemie liegen, so Monbiot, in der neoliberalen Wirtschaftsweise und Ideologie, die uns einredet, Menschen seien von Natur aus eigensüchtige Einzelgänger, die in einem “Krieg aller gegen alle” konkurrieren. Die Befunde von Sozialpsychologie, Anthropologie und Evolutionsbiologie zeigen hingegen, dass die wichtigsten Grundwerte von Menschen Gemeinschaftssinn und Altruismus sind. Die Atomisierung der Gesellschaft durch den Neoliberalismus schaffe auch die Voraussetzung für den Wiederaufstieg rechter Demagogen und Faschisten, die den entfremdeten Menschen in einem politischen Vakuum ein Gefühl von Zusammengehörigkeit versprechen.

Die britische Wirtschaft habe sich zu einer „Gig Economy“ verändert, in der entrechtete Scheinselbständige in einem Krieg „aller gegen alle“ gegeneinander konkurrieren. Nachdem sich auch die Labour Party unter Tony Blair in den 1990er Jahren der neoliberalen Agenda angeschlossen hatte, gab es für die Mehrheit der Briten jahrzehntelang keine echten politischen Alternativen mehr. Das EU-Referendum sei dazu genutzt worden, dem Establishment einen Denkzettel zu verpassen. Doch der Brexit könnte für die Mehrheit der Bevölkerung zu einer Katastrophe werden. Die drei Milliardäre etwa, denen der größte Teil der britischen Presse gehört, schüren durch Desinformationskampagnen Stimmung für einen harten Brexit, um ein regulatorisches Vakuum zu schaffen und Großbritannien näher an die deregulierte US-Wirtschaft zu rücken.

Von „Klimawandel“ zu sprechen ist so, als bezeichne man eine feindliche Invasion als „unerwarteten Besuch“. Was auf uns zukommt, sei kein gradueller langsamer Wandel, sondern das rasche Umkippen von komplexen natürlichen Systemen. Noch schneller als der Klimakollaps schreite die Zerstörung von Artenvielfalt, Böden und Süßwasserreserven durch die industrielle Landwirtschaft voran. Laut UN hat die Welt nur noch 60 Ernten vor sich, wenn sich die Landwirtschaft nicht grundlegend ändert. Besonders besorgniserregend: Die Bestäubung von wichtigen Nahrungspflanzen wie Reis und Mais könnte bei weiterer Erwärmung zusammenbrechen, denn diese Pflanzen werden nur nachts unterhalb einer bestimmten Temperatur bestäubt. Der größte Faktor für die ökologische Zerstörung sei der Fleischkonsum; für Viehfutter und Weiden würden weltweit Wälder wie der Amazonas zerstört. In den Meeren sei der industrielle Fischfang bereits für einen „eskalierenden Zusammenbruch von Ökosystemen“ verantwortlich.

Die Aktivistengruppe „Extinction Rebellion“ protestiert in Großbritannien, unter anderem durch Brücken- und Gebäudebesetzungen, für einen Ausstieg aus fossilen Energien bis 2025. Solche „direkten Aktionen“ seien dringend notwendig, um auf den Ernst der Lage hinzuweisen. Monbiot selbst hat in seinem Leben immer wieder an „direkten Aktionen“ teilgenommen, unter anderem als er 2008 versuchte, John Bolton, den derzeitigen Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, wegen seiner Rolle im Irak-Krieg festzunehmen. Neben Aktionen sei aber auch eine neue progressive Erzählung dringend erforderlich, um das neoliberale Narrativ zu ersetzen. Der Neoliberalismus sei zwar moralisch, ökonomisch und politisch eigentlich bankrott, aber die Linke habe seit 2008 kein neues Narrativ dagegensetzen können.