02.12.2016
Share: mp3 | Embed video
Einleitung: 

Solange die einflussreichen Staaten USA, Russland oder Deutschland weiter Waffen an ihre Verbündeten in der Region liefern, werde es nichts bringen, wenn die „Vertreter der kriegsschürenden Staaten in schönen Anzügen an einem Tisch sitzen und sich unterhalten. (…) Wenn es heißt: ‚Wir alle wollen diesen Krieg beenden‘ ist das schlicht eine Lüge. Diejenigen, die den Krieg wollen, profitieren auch von ihm. Es sind die Waffenhersteller und Militärfirmen. Für sie ist der Krieg in jeder Hinsicht ein ‚Killer-Geschäft‘.“ Jetzt würden die gegen Syrien verhängten Sanktionen erneut die Schwächsten und nicht das Regime treffen. Man habe keine Lehren aus dem Irak gezogen, wo der Boykott in den 90er Jahren verantwortlich war für den Tod von 500.000 Kindern unter fünf Jahren.

Gäste: 

Phyllis Bennis, Institute for Policy Studies, Washington D.C.

Transkript: 

David Goeßmann: Seit 2011 ist ein Embargo gegenüber Syrien in Kraft, in erster Linie durch die USA und die EU installiert. Einschätzungen der investigativen Internetseite „The Intercept“ zeigen nun, dass die Sanktionen vor allem die einfachen Syrer treffen und das Land in der größten humanitären Krise seit dem 2. Weltkrieg von Hilfslieferungen abschneiden. Was sagen Sie dazu?

Phyllis Bennis: Die USA und andere Großmächte haben keine Lektionen aus dem Irak gezogen. 12 Jahre lang wurde das Land mit Wirtschaftssanktionen belegt. Das hat nicht dazu geführt, das Regime zu schwächen. Sie sind jedoch verantwortlich für den Tod von 500.000 irakischen Kindern unter fünf Jahren. Das fand zwischen den beiden Irak-Kriegen statt. Auch in Syrien werden die Sanktionen unausweichlich die Schwächsten treffen, nicht die Stärksten. Die bleiben an der Macht, wenn Sanktionen verhängt werden, sie haben weiter genug zu essen. Es sind die Ärmsten, die am Rande stehen, die von Wirtschaftssanktionen getroffen werden, die Nahrungsmittel, Medizin und lebenswichtige Güter nicht mehr bekommen. Was notwendig wäre, aber nicht unternommen wird, ist ein universelles Waffenembargo. Wir brauchen kein Wirtschaftsembargo, sondern ein Stopp an Waffenlieferungen. Das ist aber, was alle beteiligten Kriegsparteien ignorieren. Keiner fordert ein Waffenembargo. Sie überschwemmen Syrien vielmehr mit Waffen. Waffen gibt es dort en masse. Aber es mangelt an Trinkwasser, Elektrizität und Medizin.

David Goeßmann: Deutschland liefert Waffen an Saudi Arabien. Und Saudi Arabien wiederum an Syrien.

Phyllis Bennis: Definitiv. Die USA sind der größte Waffenzulieferer an Saudi Arabien. Das Königreich ist der Haupt-Käufer US-amerikanischer Waffen. Wenn es heißt: „Wir alle wollen diesen Krieg beenden“ oder „keiner will diesen Krieg“ ist das schlicht eine Lüge. Es ist absolut gelogen. Diejenigen, die den Krieg wollen, profitieren auch von ihm. Es sind die Waffenhersteller und Militärfirmen. Für sie ist der Krieg in jeder Hinsicht ein „Killer-Geschäft“. Sie wollen, dass der Krieg weitergeht. Sie wollen, dass die Saudis weiter amerikanische Waffen im Wert von vielen Milliarden Dollar kaufen. Gäbe es keine Kriege, müssten sie Solaranlagen statt Waffen produzieren. Warum sollten sie das tun? Sie sind der Meinung, dass Waffen sich mehr rentieren.

David Goeßmann: Warum ist eine diplomatische Lösung für Syrien so schwierig?

Phyllis Bennis: Diplomatie ist immer schwierig, solange gekämpft wird. Dieser Krieg ist zudem besonders komplex, da er einerseits ein Bürgerkrieg ist – und solche Kriege sind historisch gesehen immer blutiger und schlimmer als andere. Andererseits wird dieser Krieg von außen gestützt, ausgerüstet, angeheizt und finanziert. Es sind dieselben, die in Sachen Diplomatie die Initiative ergreifen müssten. Jeder sagt dann: „Sobald wir militärisch besser dastehen, verhandeln wir. Nur noch ein bisschen mehr Landgewinn — wofür natürlich viele Menschen sterben müssen — dann beginnen wir Gespräche.“ Daher brauchen wir zuerst ein Waffenembargo und einen Waffenstillstand, um mit Diplomatie überhaupt beginnen zu können. Man kann wie die UNO heroisch immer wieder zu Gesprächen aufrufen. Solange die Akteure aber sagen: „Ja, ja, lasst uns reden, wir schicken ein paar Diplomaten aus der zweiten Reihe. Die entscheidenden Politiker kümmern sich jedoch um den Krieg“, ändert sich nichts an der Situation. Man kann nicht einfach weiterkämpfen und zulassen, dass USA, Russland & Co. ihren regionalen Verbündeten Waffen liefern, die dann direkt nach Syrien gelangen. In den USA zum Beispiel hört man immer wieder: „Also wenn wir keine Waffen mehr an die Saudis liefern, dann kaufen die halt einfach von den Chinesen oder den Russen“. Erstens: das ist nicht wahr. Nicht weil sie das nicht tun wollten. Sondern weil ihr gesamtes Militär auf der US-Ausrüstung aufbaut. Sie müssten alles neu kaufen. Selbst die Saudis haben nicht so viel Geld. Zudem nutzen sie diese Waffen als regionales Herrschaftsmittel. Sie schicken die Waffen an ihre Verbündeten in Syrien. Sie verteidigen damit nicht Saudi Arabien. Sie nutzen sie auch in Jemen. Diese Waffen sind verantwortlich für eine der schlimmsten humanitären Krisen der Region, mit 6000 Toten. Hunderttausende können von der UNO dort gerade so am Leben gehalten werden. Jemen ist wegen der saudischen Angriffe ein Desaster. Die USA ermöglichen das durch Waffenlieferungen und finanzieller Hilfe. Die Waffen gehen also von den einflussreichen Staaten — USA, Deutschland, Russland etc. — an die Verbündeten der Region und so direkt nach Syrien. Solange sich das nicht ändert, wird es nichts bringen, wenn die Vertreter der kriegsschürenden Staaten in schönen Anzügen an einem Tisch sitzen und sich unterhalten.