01.06.2012
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Einleitung: 

Mit einer Technologie namens "Hydraulic Fracturing", kurz Fracking, pressen Energiekonzerne Erdgas aus dem Untergrund. Dabei wird das Grundwasser mit einem Cocktail von Chemikalien verschmutzt, deren Zusammensetzung die Unternehmen nicht offen legen. Fracking steht auch im Verdacht, Erdbeben auslösen zu können. In Deutschland setzt der Ölkonzern Exxon Mobil in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen die höchst umstrittene Technologie bereits ein. Die Nichtregierungsorganisation Food and Water Watch hat jüngst eine umfassende Studie veröffentlicht mit dem Titel: "Fracking. The New Global Water Crisis". In Marseille hat Kontext TV die Vorsitzende von Food and Water Watch, Wenonah Hauter, gefragt, welche Auswirkungen Fracking auf die Wasserversorgung hat.

Gäste: 

Wenonah Hauter, Vorsitzende von Food and Water Watch, Washington DC

Transkript: 

David Goeßmann: Die Gewinnung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl oder Gas ist oft mit der Kontamination von Wasserreserven verbunden. Verschärft wird diese Situation durch das sogenannte "Fracking", das insbesondere in den USA, teilweise aber auch in Europa eingesetzt wird. Mit dieser Technologie werden große Mengen an Erdgas aus hartem Schiffergestein hydraulisch herausgepresst. Recherchen u.a. der New York Times haben gezeigt, wie dabei das Grundwasser mit verschiedenen Chemikalien verschmutzt wird. Fracking steht auch im Verdacht, Erdbeben auslösen zu können.

Fabian Scheidler: In Deutschland setzt der Ölkonzern Exxon Mobile in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen die höchst umstrittene Technologie bereits ein. Die Nichtregierungsorganisation Food and Water Watch hat jetzt eine umfassende Studie veröffentlicht mit dem Titel: "Fracking. The New Global Water Crisis". Wir haben die Vorsitzende von Food and Water Watch, Wenonah Hauter, gefragt, welche Auswirkungen Fracking auf die Wasserversorgung hat.

Wenonah Hauter: Fracking ist eine neue Technologie, die seit gut einem Jahrzehnt angewendet wird, um Erdgas aus besonders tief liegenden Lagerstätten zu fördern. Vier Entwicklungen haben diese Technologie ermöglicht: Die Gasindustrie hat Techniken entwickelt, sehr tief zu bohren, bis zu 3 Kilometer. Zudem kann jetzt nicht nur tief gebohrt werden, sondern am Ende die gleiche Entfernung auch noch horizontal. So kann man weit in die in sehr hartem Schiefer eingelagerten Gasvorkommen bohren. Ohne diese Technik wäre das nicht möglich. Man setzt dabei auch Chemikalien ein. Die Chemikalien werden geheim gehalten. Es wurden bisher 750 verschiedene Chemikalien identifiziert: unter anderem Benzol, Toluol, Blei, alles sehr karzinogene Substanzen. Diese werden dann großen Mengen an Wasser zugesetzt. Man braucht mehr als das 100-fache an Wasser für diese Chemikalien. Diese Mischung wird dann mit hohem Druck tief in die Erde gepumpt, um das Erdgas freizusetzen. Dadurch entstehen an der Oberfläche große Mengen an Abwasser, das nicht nur diese gefährlichen Chemikalien enthält, sondern auch Radioaktivität aus dem Erdinneren. Dieses Abwasser gelangt an die Oberfläche und wird häufig im städtischen Abwassersystem entsorgt. Die Abwässer der Öl- und Gasindustrie werden also mit Steuergeldern entsorgt. Dabei sind die städtischen Kläranlagen nicht einmal in der Lage die Chemikalien und die Radioaktivität aus dem Wasser zu entfernen. Unternehmen wie Veolia versuchen aus der Reinigung dieser Abwässer einen Profit zu schlagen und bauen mit Steuergeldern neue Kläranlagen. Allerdings gelangt nicht das gesamte Abwasser wieder an die Oberfläche. Ein Teil bleibt in der Erde und niemand weiß wirklich, was dann damit geschieht. Es vermischt sich mit der Salzsole und all die Chemikalien und anderen Bestandteile können sich im Erdinnern verteilen. Wir haben einfach keine Vorstellung, in wie weit das Trinkwasser dadurch verschmutzt werden könnte. Wir wissen, dass Methan und Erdgas ins Trinkwasser gelangen kann. Es ist also verheerend, was in den USA im Zusammenhang mit Fracking passiert. Fracking wird als neue und saubere Zukunft der Energieversorgung dargestellt.  Universitätsstudien zeigen jedoch, dass Fracking durch all das Methan, das in die Atmosphäre gelangt, sogar stärker zum Klimawandel beiträgt als konventionelle Kohlekraftwerke. Wir glauben, dass Erdgas "sauber" verbrennt, aber durch die Gase, die permanent durch die Bohrlöcher entweichen, ist Erdgas möglicherweise ein Beschleuniger des Klimaproblems. Fracking nimmt weltweit zu, auch in Europa. Es werden Probebohrungen in Polen und Irland durchgeführt, besonders in Polen. Wir glauben, dass das verheerende Auswirkungen haben wird, wenn nicht auf europäischer Ebene Initiativen ergriffen werden, um das Trinkwasser zu schützen. Ich habe eine Woche in Brüssel mit Mitgliedern des Europaparlaments darüber gesprochen und die meisten warten auf die US-amerikanische Umweltschutzbehörde, die Fracking gerade untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung wird also entscheidend sein. Darüber sind wir natürlich besorgt, weil wir uns bewusst sind, dass in den USA der Druck der Industrie auf die Regulierungsbehörden enorm ist und sie nicht die besten Informationen bereitstellt. Wir hoffen, dass mehr Menschen Fracking als Problem sehen, wie zum Beispiel die Franzosen, die ein Moratorium zu Fracking erlassen haben. An der Grenze der EU hat Bulgarien Fracking verboten. Kurz nach Inkrafttreten des Verbots reiste US-Außenministerin Hillary Clinton leider nach Bulgarien, um  Druck auf das Land auszuüben, das Verbot wieder aufzuheben. Wir wissen also, dass die Erdgasindustrie in den US sehr viel Einfluss hat. 370 Millionen Dollar wurden in fünf Jahren für Lobbyarbeit ausgegeben. Und dann wird diese politische Macht weltweit ausgespielt, um Regierungen dazu bringen, diese Technologien zu fördern, selbst wenn sie das nicht wollen.