Nach Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation thematisiert Kontext-TV-Mitbegründer Fabian Scheidler in seinem neuen Buch die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft: die Krise des Lebens auf der Erde, die extreme Spaltung zwischen Arm und Reich und das System der „globalen Apartheid“, das die kleiner werdenden Wohlstandsinseln zu Festungen ausbaut. Vor diesem Hintergrund fragt David Goeßmann den Autor nach Perspektiven für eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation.
Fabian Scheidler, Autor, Dramaturg und Mitbegründer von Kontext TV, Autor von "Chaos. Das neue Zeitalter der Revolutionen" und "Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation".
Die industrielle Zivilisation hat das größte Artensterben seit 65 Millionen Jahren in Gang gesetzt. Zunehmendes Klimachaos zerstört schon heute die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen, etwa in Puerto Rico. In den kommenden Jahrzehnten drohen ganze Weltregionen unbewohnbar zu werden. Zugleich besitzen acht Menschen heute so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die extreme Ungleichheit bringt sowohl die Weltwirtschaft als auch die politischen Systeme ins Wanken. Um dieser fatalen Dynamik zu entgehen, braucht es einen tiefgreifenden Umbau unseres ökonomischen Systems, so Fabian Scheidler. Der Ausstieg aus den fossilen Energien müsse einhergehen mit einem Umstieg auf eine Wirtschaft, die Verteilungsgerechtigkeit an die Stelle von Wirtschaftswachstum und das Gemeinwohl an die Stelle des Profits setzt.
Die Wiederaneignung von öffentlichen Gütern sowie von Land und Wohnraum sei, so Scheidler, eine entscheidende Voraussetzung für eine sozial-ökologische Wende. Das Grundgesetz biete sogar ausdrücklich die Möglichkeit, Kapitalgesellschaften in Gemeineigentum – das nicht mit Staatseigentum zu verwechseln ist – zu überführen. Gegen den Strom von Privatisierungen sei dieser Kampf in vielen Teilen der Welt bereits in vollem Gange, ob es nun darum geht, in deutschen Kommunen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Energieversorgung aus den großen Konzernen herauszulösen oder in Lateinamerika geraubtes Land wieder in die Hand von Kleinbauern zu bringen. Allerdings fehlt es an größeren Organisationsformen, die aus den verschiedenen einzelnen Kämpfen eine gemeinsame politische Kraft machen.
Trotz vieler Schattenseiten etwa bei Menschenrechten, Ökologie und Arbeiterechten biete der Aufstieg Chinas auch Chancen für eine globale Transformation, insbesondere für eine neue Friedensordnung. China ist es gelungen, ein beträchtliches Stück weit aus der Armutsfalle herauszukommen, und investiert zugleich doppelt so viel in erneuerbare Energien wie die gesamte EU. Zudem stehe das Land seit Jahrhunderten in anderen ökonomischen, außenpolitischen und militärischen Traditionen als der Westen, nicht zuletzt weil starke Widerstandsbewegungen die gesellschaftlichen Machtstrukturen aufweichen konnten. So hatte sich anders als in Europa eine nichtkapitalistische Marktwirtschaft in China herausbilden können, die dem Kapital enge Grenzen ziehen konnte, während seine Außenpolitik bis heute nicht vorrangig auf militärische Konfrontation ausgerichtet ist, sondern auf Handel und Diplomatie setzt. Ob mit dem Niedergang der US-Hegemonie und der Verschiebung ökonomischer Macht nach Ostasien Chancen für eine multipolare Weltordnung und eine neue Entspannungspolitik erwachsen, entscheide sich aber nicht allein in China sondern auch in den USA und Europa, wo die Bürger der zunehmenden Militarisierung entgegentreten und auf Abrüstung drängen müssen.