Die USA haben dieses Jahr eine neue Kampfdrohnenbasis im westafrikanischen Niger eröffnet. Damit bauen die USA ihre Drohnenkapazität von Jemen bis Westafrika weiter aus. Bereits 2007 hatten die USA Africom in Stuttgart eröffnet, das sechste Regionalkommando der US-Streitkräfte. Von dort werden alle militärischen Operationen auf dem afrikanischen Kontinent nun koordiniert. Es gehe, so Firoze Manji und Aziz Fal, um die militärische Absicherung von Rohstoffinteressen. Nach Schätzungen des National Intelligence Council sollen ungefähr 25 Prozent des US-amerikanischen Öls bis 2015 aus Afrika kommen. Auch die Waffenverkäufe deutscher Regierungen an afrikanische Länder wie jüngst das Angebot über sechs Kriegsschiffe an Angola kritisieren Manji und Fall scharf.
Aziz Fall, Politikwissenschaftler, McGill Universität, Montreal
Firoze Manji, Chefredakteur von Pambazuka Press, Nairobi
Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung
Firoze Manji: Wir haben es mit einer enormen Militarisierung zu tun. Man darf nicht vergessen, dass Somalia einer solchen Militarisierung mehrfach unterzogen wurde. Dort befinden sich auch US-Kampfdrohnen. Die kenianische Invasion wurde mit amerikanischen Drohnen abgesichert und mit französischen Waffen ausgestattet. Das sollten wir nicht vergessen. Die Invasion in Libyen ermöglichte und legitimierte Africom, den „regime change“ abzusichern. Das US-Regionalkommando für Afrika, Africom, befindet sich in einem massiven Wachstumsprozess. Africom-Einheiten sind schon in vielen Ländern präsent und sie werden aktiver werden. Regierungen und Eliten in Afrika fürchten die Massenproteste und Aufstände, die stattfinden. Ihren Wohlstand können sie in Zukunft nur weiter sichern, wenn sie sich mit den USA, den Franzosen, den Briten usw. zusammentun. Diese Staaten garantieren ihnen ihren Profit. Diese Form von Kollaboration wird in Zukunft geschehen. Es schockiert mich, dass die Afrikaner die Präsenz von amerikanischen Truppen auf unserem Territorium einfach akzeptieren. Ich habe meinen Freunden vorgeschlagen, dass wir doch ein USCOM gründen sollten und afrikanische Truppen nach Amerika schicken, um die afroamerikanischen Gefangenen zu befreien. Sie stellen den Großteil der zum Tode Verurteilten in den USA. Sollten wir nicht eine Befreiungsmacht dort stationieren? Wie würden die Amerikaner das finden? Sie wären sehr verärgert. Die Amerikaner müssen verstehen, dass wir sehr verärgert sind über die amerikanische Truppen auf unserem Kontinent.
Kontext TV: Afrikanische Länder haben der Installation Africoms auf afrikanischem Gebiet nicht zugestimmt, warum?
Firoze Manji: Nur Liberia, eine weitere Kolonie der USA, hätten Africom bei sich akzeptiert. Aber Africom muss nicht offiziell in Afrika stationiert sein. In der Praxis ist Africom in mindestens 25 Ländern in das Training von Truppen und Polizei involviert. Das geschieht informell und es bleibt unbemerkt. Sie brauchen keinen Hauptsitz hier. Wozu braucht man heute Hauptsitze, wenn Technologien es uns erlauben, die Welt von überall aus zu regieren?
Kontext TV: Deutsche Waffenfirmen wie Heckler & Koch haben in über 20 afrikanischen Ländern über die letzten 40 Jahre Gewehre verkauft. Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin, hat Präsident Jose Eduardo Santos 6 Kriegsschiffe und militärische Unterstützung angeboten. Er ist der Präsident Angolas. Deutschland liefert weiterhin Waffen, Panzer und Patrouillenboote an Saudi Arabien. Ihr Kommentar dazu?
Firoze Manji: Das ist empörend! Das sind diejenigen, die von Demokratie sprechen und doch bewaffnen sie Kräfte, die für die Unterdrückung der Demokratie auf dem gesamten Kontinent verantwortlich sind. Das sind Mörder. Sie bewaffnen mordende Regime. Es ist ein Skandal, dass Deutschland das tut. Wirklich enttäuschend ist aber für mich, dass die Menschen in Deutschland nicht ausreichend dagegen protestieren. Ihr Geld wird für solche Zwecke verwendet. Im Zuge der Wirtschaftskrise wird sich aber die Frage stellen, ob öffentliche Gelder an Waffenunternehmen als Unterstützung fließen oder ob man sie in soziale Infrastrukturen investieren sollte. Noch gehört die soziale Infrastruktur in Deutschland zu den besten, aber in weniger als 5 Jahren, wenn die Eurozone zu kollabieren beginnt, wird das anders aussehen, das garantiere ich. Es ist eine wahre Tragödie. Es überrascht uns aber nicht. Die Briten, die USA und alle europäischen Staaten betreiben Waffenhandel. Sie denken, sie könnten mit Waffenhandel aus ihren Wirtschaftskrisen herauskommen. Das ist meiner Meinung nach eine sehr kurzfristige Sichtweise.
Aziz Fall: Die Waffenverkäufe sind beschämend für Deutschland, weil es ein Land sein sollte, das einen friedlichen Weg gehen sollte. Deutschland hat immer noch eine amerikanische Militärbasis auf seinem Gebiet. Nicht nur wird diese Basis nicht abgebaut, Deutschland nimmt nun auch an Kriegen teil. Es ist Teil der kapitalistischen Krise, die militärische Lösung als Ausweg zu wählen. Aber es ist kein Ausweg, es ist ein großes Problem. Deutschland sollte genug Krieg erlitten haben. Ich hoffe, dass Deutschland sich aufgrund seiner Rationalität, Philosophie und Weltanschauung von diesem Kreuzzug distanziert. Die NATO will ihre Position stärken und den ganzen afrikanischen Kontinent kontrollieren. Wir sind dafür verantwortlich, dass zu verhindern. Wir verstehen, dass westliche Staaten nur für ihre westlichen Interessen eintreten. Auf der Berlin-Konferenz von 1885 zu Westafrika installierten die Deutschen das erste Freihandelsgebiet auf dem afrikanischen Kontinent. Wir werden von den Deutschen keine Änderungen erwarten. Es liegt in ihrem Interesse, ihre Interessen zu verteidigen. Wir können das nicht vorwerfen. Die Amerikaner verteidigen ihre Interessen und die Franzosen ebenso. Wir Afrikaner dürfen aber nicht der Sündenbock sein, wir dürfen nicht das Opfer in diesem Prozess werden. Wir müssen unsere eigenen Interessen verteidigen. Deshalb versuchen wir unseren Freunden in Deutschland zu erklären, dass es in Stuttgart wie in Afrika keine US-Africom-Basis geben darf.