Israel ist bisher das einzige Land im Nahen Osten, das Atomwaffen besitzt – obwohl es dies offiziell nie zugegeben hat. Solange diese Waffen nicht Gegenstand von Verhandlungen zur Sicherheit in der Region sind, sei eine Weiterverbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten wahrscheinlich. so Ware. Die nuklearen Energieprogramme von Iran, Saudi-Arabien und Ägypten dienten möglicher Weise dazu, eine Option für Kernwaffen aufzubauen, um ein Gegengewicht zu Israel zu schaffen. Verhandlungen über die Schaffung einer Atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten könnten diese Dynamik durchbrechen. Im Dezember sollte in Helsinki dazu eine Konferenz stattfinden. Doch die israelische Regierung sagte seine Teilname ab, so dass die Konferenz auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
Alyn Ware, Mitglied des Weltzukunftsrates und Weltweiter Koordinator des Parlamentarischen Netzwerkes für Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung (PNND), Träger des „Alternativen Nobelpreises“
Theresia Reinhold: Was können Sie über die immer wieder auftauchenden Argumente oder Behauptungen sagen, dass es Staaten im mittleren Osten gibt, die an der Entwicklung neuer Atomwaffen arbeiten?
Alyn Ware: Im mittleren Osten gibt es einen Staat, der Atomwaffen besitzt, das ist Israel. Im Kontext der Sicherheitsthematik im mittleren Osten wird es wahrscheinlich einer Weiterberbreitung von Atomwaffen geben, solange man nicht die israelischen Atomwaffen thematisiert. Das betrifft zum Beispiel den Iran. Der Iran sagt, dass er keine Atomwaffen anstrebt; dennoch sind die Iraner - zusammen mit den arabischen Staaten - sehr aufgebracht, dass es keine Veränderungen bei der Frage der israelischen Atomwaffen gibt. Und so sind die nuklearen Energieprogramme, die einige dieser Staaten vorantreiben - Iran, Saudi Arabien, Ägypten - möglicherweise darauf ausgelegt, Atomwaffen zu entwickeln, sollten sie sich so entscheiden. Das könnte eher rational sein, als Energie zu erzeugen, denn diese Länder haben andere Alternativen als Kernenergie. Deswegen ist es relativ risikoreich und bedenklich, dass es diese Kernenergie-Programme in diesen Ländern gibt.
Abgesehen von Israel ist Iran am weitesten fortgeschritten, denn dort wird Urananreicherung beitrieben, was bedeutet, dass man relativ schnell Nukleare Waffenkapazitäten entwickeln kann. Um damit umzugehen, macht es aber keinen Sinn, nur mit dem Finger auf Iran zu zeigen, denn das wird nicht funktionieren. Der Iran wird fragen, warum man mit dem Finger auf ihn zeigt und nicht auf Israel, das Atomwaffen besitzt, oder Pakistan oder China oder die USA. Wir müssen an regionaler und globaler Abrüstung arbeiten um die Verbreitung aufzuhalten, wir können nicht nur einem Staat sagen, dass er es nicht tun soll, wenn alle anderen es tun. Das ist so, als wenn Eltern täglich 10 Schachteln Zigaretten rauchen und ihren Kindern erzählen, dass sie nicht rauchen dürfen. Das funktioniert nicht.
Es gibt aber tatsächlich den Vorschlag für die Einrichtung einer Atomwaffenfreien Zone im mittleren Osten - und für ein Verbot anderer Massenvernichtungswaffen in der Region - und dieser Vorschlag wurde stark vorangetrieben durch den Atomwaffensperrvertrag. Eine internationale Konferenz der Regierungen soll im Dezember abgehalten werden, um den Prozess der Gründung einer solchen Zone zu beginnen. Das ist ein positiver Ansatz, und es sieht so aus, als ob Israel und Iran daran teilnehmen werden - die Moderatoren verhandeln noch darüber in welcher Form - aber höchstwahrscheinlich werden sie in irgendeiner Form daran teilnehmen. Und das kann eine Grundlage dafür schaffen, auf der man weiter vorangehen kann um die Regeln für Atomwaffen in diesem Gebiet festzulegen. Israel wird natürlich einige Sicherheitsgarantien benötigen um von seinen Atomwaffen Abstand zu nehmen, aber das könnte Teil einer atomwaffenfreien Zone sein, denn genau darum geht es: Garantien der Atomwaffen besitzenden Staaten, dass sie nicht die Staaten in der Zone angreifen werden. Israel wird wahrscheinlich zusätzlich die Anerkennung seines Existenzrechts durch die arabischen Staaten und Iran benötigen. Und es, dass diese Staaten auch dazu bereit wären, wenn Israel seine Atomwaffen aufgibt. Es scheint also, als gäbe es hier eine Chance auf Erfolg, nicht sofort, da es viel Argwohn gibt und viel böses Blut, das überwunden werden muss, aber es gibt definitiv eine Chance dabei voran zu kommen. Es ist auf jeden Fall ein wesentlich besserer Ansatz, als den Iran zu bedrohen oder gar anzugreifen.
Theresia Reinhold: Aber wie können Länder wie der Iran und Israel an einen Tisch gebracht werden, wenn der Iran nicht bereit ist, Israel als existierenden Staat zu akzeptieren?
Alyn Ware: Beide sitzen in den Vereinten Nationen, tatsächlich sogar ziemlich nah beieinander, weil es eine alphabetische Reihenfolge gibt: Iran, Irak, Israel. Das gleiche gilt für die anderen internationalen Körperschaften, z.B. die Interparlamentarische Union, in der sowohl Iran als auch Israel Mitglieder sind. Also können sie an dem gleichen Tisch sitzen. Aber: Es muss in einer Weise geschehen, in der sich keiner von Ihnen bedroht fühlt oder so, als ob sich das Ganze nur gegen sie richtet. Deswegen ist es schwer ein bilaterales Treffen einzuberufen, darauf würden sich sie nicht einlassen, aber sie werden zu einem internationalen Treffen erscheinen und daran teilnehmen.