29.06.2011
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Einleitung: 

Seit der Finanzkrise 2007 sprechen viele über den Niedergang der USA als Supermacht. Doch dieser Prozess habe bereits früher begonnen, sagt Immanuel Wallerstein. Seit den 1970er Jahren habe der langsame Niedergang begonnen. Die USA hätten zwar die stärkste Armee der Welt, aber sie könnten sie nicht nutzen. Die Funktion des US-Militärapparates sei es vielmehr, Arbeitsplätze zu schaffen und ein gewisses Level an Ausgaben zu generieren. Er funktioniere nicht als Militärapparat, er habe eine wirtschaftliche Funktion. Diese Dysfunktionalität des US-Militärs werde heute auch bei Konservativen in den USA wahrgenommen. Der Isolationismus werde dabei wieder als eine ernstzunehmende politische Möglichkeit diskutiert.

Gäste: 

Immanuel Wallerstein, Senior Research Scholar an der Yale University, USA. Mitbegründer der Weltsystem-Theorie, von 1994-1998 Präsident der International Sociological Association und Autor zahlreicher Bücher

Transkript: 

David Goeßmann: Seit der Finanzkrise 2007, 2008 sprechen viele über den Niedergang der USA als einer Supermacht. Auf der anderen Seite geben die USA soviel Geld für Ihren Militärhaushalt aus, wie alle andern Staaten zusammen.

Immanuel Wallerstein: Ja, aber was können sie damit tun? Sehen Sie, der Niedergang der USA begann in den 1970er Jahren und es war ein langsamer Niedergang. George Bush kam und sagte: „Ich werde das mit Hilfe meiner Idee von Militarismus wieder umkehren. Ich werde in den Irak einmarschieren, ich werde die Europäer abschrecken, sich von den USA abzuwenden, ich werde Nordkorea bedrohen und die arabischen Staaten und jeden einschüchtern. Es wird wunderbar sein.“ Aber es stellte sich heraus, dass es alles andere als wunderbar wurde. Es war eine Katastrophe. Ein Rückschlag in jeder Hinsicht. Der Krieg im Irak zog sich über Jahre hin und endete mit einer Regierung, die ganz und gar nicht pro-amerikanisch war. Er hat nur die Autorität und Macht der Iraner im Irak gestärkt, den angeblich größten Feinden der USA.  Die Europäer wurden nicht eingeschüchtert. Die Iraner und Nordkoreaner zogen daraus die Lehre, dass sie ihre nukleare Aufrüstung beschleunigen müssen und nicht verzögern. So wurde aus einem langsamen Niedergang ein beschleunigter Niedergang. Die USA sind die stärkste Militärmacht der Welt, zehn Mal stärker als alle anderen. Es ist wahr, dass niemand die USA angreifen könnte und sie über diesen großartigen Militärapparat verfügen. Aber was können sie damit tun? Man kann ein Land nicht in die Unterwerfung bomben. Das ist unmöglich. Man muss große Truppen entsenden. Die USA haben aber keine großen Truppen, die sie wirklich einsetzen können. Der Grund dafür ist, dass die Amerikaner zwar sehr glücklich über militärische Siege sind, sie jedoch einfach nicht wollen, dass ihre Söhne ein Teil der Truppen werden. Das ist das Vietnam-Syndrom, es ist eine sehr reale Sache in den USA, und da es keine einsetzbaren Truppen gibt, können die USA im Irak nicht gewinnen. Sie können nicht in Afghanistan gewinnen. Sie werden sich letztendlich aus beiden zurückziehen müssen. Sie haben die stärkste Armee der Welt, aber sie können sie nicht nutzen. Das ist die Wahrheit über die amerikanische Armee. Gegenwärtig ist die Funktion des US-Militärapparates Arbeitsplätze zu schaffen und ein gewisses Level an Ausgaben zu erhalten. Er funktioniert nicht als Militärapparat, aber er hat diese innere wirtschaftliche Funktion, es ist eine nicht nutzbare militärische Maschine. Aber es ist wahr, dass es das stärkste Militär weltweit, mit den besten Fliegern, den besten Bomben usw. ist, keine Frage. Es ist auch wahr, dass niemand in die USA einmarschieren wird und einmarschieren will. Aber wer will das auch? Dieses Dilemma wird inzwischen auch in den USA wahrgenommen. Die Unantastbarkeit der militärischen Ausgaben wird nicht mehr nur von links in Frage gestellt sondern auch von rechts. In den heutigen USA erhebt sich der altbekannte Klang des Isolationismus wieder als eine ernstzunehmende politische Möglichkeit. Und das erfordert den Rückzug der Truppen, Stück für Stück für Stück.