In militärischer Hinsicht sind die USA noch immer die einzige Supermacht. Doch im Jahr 2008 ist die US-Ökonomie fast zusammengebrochen, Billionen wurden zur Stützung von Wall Street ausgegeben. Ohne das Geld aus China wären die USA möglicherweise in den Bankrott gestürzt worden. Ist das Empire aufrecht zu erhalten?
Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge/USA und politischer Aktivist
Fabian Scheidler: In militärischer Hinsicht sind die USA weiter die Superpower. Doch in 2008 ist die US-Ökonomie fast zusammengebrochen, Billionen wurden zur Stützung von Wall Street ausgegeben. Ohne das Geld aus China wären die USA möglicherweise in den Bankrott gestürzt worden.
Noam Chomsky: Man spricht viel über das Geld von China. Tatsächlich wird der größte Teil der US-Schulden von Japan gehalten, was zeigt, dass die Schulden kaum als Waffe eingesetzt werden können. Japan kann nichts mit den Schulden ausüben, das gleiche gilt für China. Es wird viel über das Handeldefizit mit China gesprochen. Es stimmt, es ist groß. Auf der anderen Seite ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss zwar nicht absolut, aber doch per Einwohner weit größer als Chinas. Das ist allerdings kein Thema für Schlagzeilen.
Das Handeldefizit mit China ist beträchtlich. Aber worüber weniger gesprochen wird ist, dass das Handelsdefizit mit Japan, Taiwan und anderen Staaten in der Region stark zurückgegegangen ist. Der Grund dafür ist die Art, wie die regionalen Produktionssysteme dort funktionieren.
China ist im Prinzip ein Montagewerk. Die Länder in der Region sind demgegenüber technologisch weit stärker fortgeschritten und liefern Teile, Komponenten und High Tech. China benutzt schließlich billige Arbeit und sein Land, um sie zusammen zu setzen. Von dort werden sie überwiegend in die Vereinigten Staaten gebracht. US-Produzenten tun dasselbe. Sie schicken Teile und Komponenten nach China. Dort werden sie montiert und kommen dann zurück.
Also ja, da ist ein Handelsdefizit mit China und ein zurückgehendes Defizit mit den anderen Ländern, weil die ihre Teile nach China schicken. Es ist eine Art globales System der Produktion.
Da wird viel über eine Machtverschiebung in der Welt spekuliert. Wird China die USA ablösen? Das ist größtenteils ideologischer Extremismus. Staaten sind nicht die Akteure im Weltgeschehen. Zu einem gewissen Grad sind sie es. Aber nicht restlos. Die Akteure sind die, die die Staaten beherrschen, die Wirtschaft, die Konzerne. Adam Smith verwies darauf. Es ist keine radikale Einsicht.
Wenn man auf die Leute schaut, die die Welt besitzen und die Politik bestimmen, ja, da ist eine globale Machtverschiebung hin zu ihnen und weg von der globalen Arbeiternehmerschaft. China ist das extremste Beispiel. Und es gibt Interaktionen zwischen den transnationalen Konzernen, Finanzinstituten und Staaten, soweit sie denen dienen. Und das ist eine wirkliche Machtverschiebung.
Aber es ist nicht die, die in den Schlagzeilen steht. Man kann darüber in der Wirtschaftspresse lesen. Zum Beispiel in der Financial Times. Sie beschreiben es dort. Aber es sind nicht die großen Angst-Geschichten mit Schlagzeilencharakter.