Forderungen nach 100 Prozent Erneuerbare werden weiter mit Konzepten wie „low-carbon“ oder „Klimaneutralität“ blockiert, während man Gaskraftwerke und 3-Liter-Autos als Lösung propagiert. Auch Kohlenstoffsenken wie Wälder sollten nicht als Ausgleich für Treibhausgase missbraucht werden. Wir benötigen sie „additiv“, sagt Fell. In Form von biologischer Landwirtschaft, Biokohle-Dünger gewonnen aus Klärschlamm oder Bauholz sollten sie in Zukunft eine weit größere Rolle spielen. Auch die Begrünung von ariden Regionen sei bisher eine kaum genutzte Klimaschutzmaßnahme. In der Gobiwüste hat China eine Fläche so groß wie Deutschland begrünt. 300 Millionen Chinesen bauen dort nun auch Gemüse unter einer Gigawatt-Photovoltaikanlage an, die zugleich Schatten spendet und Restfeuchte konserviert. Studien zeigen, dass, wenn man einen Teil der trockenen Regionen der Welt mit Ölpflanzen begrünt, man so viel Pflanzenöl erhält, dass damit das Flugbenzin der Erde ersetzt werden kann. Um die Blockade der Energiewende zu überwinden, brauche es aber weiter Pioniere, die Lösungen vor Ort durchsetzen, Massenproteste und auch zivilen Ungehorsam, den Fell unterstützt. Denn die Klimaschutz-Blockade offenbare bereits Elemente, die man in Unrechtsstaaten findet. Der Mitautor des EEG ist trotz allem hoffnungsvoll: Sein Engagement seit den 70er zeige, dass Veränderung möglich ist. „Ich lasse mir das nicht mehr sagen, das geht nicht, sondern wir können das machen.“
Hans-Josef Fell: Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes
David Goeßmann: In der Klimapolitik wird vor dem Klimagipfel in Glasgow wieder stärker über Klimaneutralität, CO2-Speichertechnologien, negative Emissionen, Off-Setting geredet. Was verbirgt sich hinter diesen Begriffen. Und was ist das Problem damit?
Hans-Josef Fell: Zunächst habe ich in den letzten 30 Jahren erfahren, dass, wenn wir Forderungen aufstellen, die klar im Sinne des Klimaschutzes sind, null Emissionen im Zentrum stehen haben, 100 Prozent erneuerbare Energien, dann kommen die, die Bestandsschutz der alten Energien und Materialwirtschaft wollen, mit neuen Begriffen. So haben sie der Energiewende Anfang der 2000er Jahre den Begriff „low carbon“ entgegengesetzt. Wir machen Klimaschutz mit low carbon, nicht mit 100 Prozent erneuerbare Energien. Aber was ist low carbon? Und das finden sie auch in den Definitionen von low carbon der EU-Kommission. Das ist Atomenergie, das ist Erdgas, weil angeblich Erdgas weniger Emissionen macht. Ein Lüge ohne Ende, denn wenn man das Methan betrachtet, das bei den Erdgasförderungen in denen Pipelines in die Atmosphäre geht, dann ist in der Gesamtkette betrachtet die Emission aus dem Erdgaskraftwerk schlimmer als ein Kohlekraftwerk, und das ist schon furchtbar schlimm. Dann ist es natürlich die Effizienz im alten System, das heißt, wir fahren ein Dreiliter-Erdölauto, aber natürlich ein Erdölauto. Nicht ein Nullemissionsauto mit Ökostrom oder mit grünem Wasserstoff. Es kommt natürlich dann auch Geoengineering rein: Verdunkeln wir mal die Atmosphäre, setzen Schwefel ein und verdunkeln die Einstrahlung der Sonne. Und dann kühlen wir ab. Das stimmt. Aber alle Menschen kriegen Krebs von den Luftschadstoffen. Was ist das für eine idiotische Sache. Darum geht es. Und das fünfte Rad am Wagen bei low carbon war dann immer auch: etwas erneuerbare Energien. Dann haben sie das abgeräumt, 100 Prozent erneuerbare Energien. Der neue Begriff ist nun: Klimaneutralität. Der ist ja mitnichten darauf ausgerichtet, dass man null Emissionen macht. Sondern wenn Emissionen entstehen, die dürfen wir noch machen in bestimmten Mengen, dann balancieren wir sie mit Kohlenstoffsenken. Genau das ist die falsche Strategie, weil wir die Kohlenstoffsenken additiv brauchen zu null Emissionen.
David Goeßmann: Kohlenstoffsenken sind Wälder oder Moore, die CO2 aufnehmen.
Hans-Josef Fell: Da gibt es auch eine Unmenge von Technologien und Wirtschaftsweisen, die kaum befördert werden. Die Kohlenstoffsenken sind essentiell für den Klimaschutz. Wir müssen sie in großen Mengen machen. Also beispielsweise technische Revolutionen. Ich will mal ausdrücklich Biokohle nennen, wo kaum jemand daran arbeitet. Ich kenne ein Unternehmen, das seit zehn Jahren mühsam ohne Unterstützung der öffentlichen Hand aus dem Klärschlamm einen Wertstoff macht. Fast alle wollen den Klärschlamm verbrennen und dann ist der von organischen Resten erzeugte Kohlenstoff wieder in der Atmosphäre, statt ihn festzuhalten und zu deponieren. Die Biokohle können wir, wenn sie richtig hergestellt ist, mit effektiven Mikroorganismen optimiert ist, nutzen, dann gibt das mehr Erträge auf den Äckern, wenn man es in die Böden hineinsteckt. Terra Preta ist das Stichwort und anderes. Da kann man Unmengen an Kohlenstoff binden mit einer biologischen und kohlenstoffsenkenden Landwirtschaft. Auch in den Wäldern kann das helfen. Also Biokohle ist eine Technologie, die mir seit 15 Jahren bekannt ist und ich verzweifle einfach, dass das nicht stärker kommt. Aber auch die gesamten Begrünungen der Erde sind wichtig: das heißt natürlich, auf den bestehenden landwirtschaftlichen Flächen keine Lachgasemissionen mehr auszustoßen.
David Goeßmann: … also keine Kunstdünger mehr.
Hans-Josef Fell: Durch Künstdünger, Pestizide, die alle als Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Pestizide werden aus Erdöl, Erdgas gemacht. Muss alles weg. Biologische Landwirtschaft ist das Stichwort, die brauchen wir. Statt Abholzungen und Raubbau der Wälder müssen wir Aufbau von naturnahen Wäldern machen, die aber in den wirtschaftskreislauf gehen müssen. Ja, kleine Naturflächen, die sich selbst überlassen werden, sind wichtig für die Biodiversität. Aber der große Teil muss in die Wirtschaft kommen. Wir brauchen das Holz als Bauholz, weil in ihm dann über Jahrhunderte der Kohlenstoff gespeichert ist, in der Bauwand statt mit Beton gebaut, wo wir pro Kubikmeter 700 Kilogramm CO2 emittieren. Und im Holz sind 700 Kilogramm CO2 im Kubikmeter aus der Atmosphäre entnommen und über Jahrzehnte gespeichert. Aber die Begrünungen dürfen nicht nur auf den bestehenden Flächen, wo wir jetzt schon grün haben, stattfinden. Ganz entscheidende Sache ist, dass wir alle Flächen, die nicht grün sind, die ariden Flächen in Afrika, in Südamerika, in Australien, in Asien, die müssen wir wieder in die Begrünung bringen. Dann wird dort, wo nichts wächst, über den Aufwuchs von Bäumen, von Pflanzen und anderen, gleichzeitig der Humus in die Böden gebracht, es entstehen Mikroorganismen. Das sind dann Kohlenstoffsenken. Die Wiederbegrünungen der ariden Flächen sind ganz entscheidend. Da gibt es tolle Beispiele. In China, Gobiwüste, da haben sie in 30 Jahren eine Fläche so groß wie Deutschland wieder aufgeforstet. Unglaubliche Ergebnisse, 300 Millionen Arbeitsplätze, die sind nicht mehr Wanderarbeiter in den großen Städten, Chinas großes Problem. Sie können auch ihr Gemüse unter den Bäumen züchten in der Gobi. Sie leben dort, sie haben neue Lebensräume bekommen. Viele andere Bereiche in der Welt kann man aufforsten und als Agroforsts organisieren. Man baut zum Beispiel Photovoltaikanlagen, die Beschattung machen, also Agrophotovoltaik. Die bringt man zusammen mit Begrünungen. In der Gobi finden wir inzwischen eine Gigawatt-Solaranlage. Gigawatt, das ist ja eine riesige Fläche. Gut, die haben sie dort. Aber darunter fährt der Traktor. Vorher ist da keiner gefahren, da war nur Sand. Sie können nun auch Niederbegrünungen machen, weil die Solarmodule Schatten spenden und die Restfeuchte besser konservieren. Also es gibt ungeahnte Möglichkeiten, die müssen wir schnell angehen. Wir können zum Beispiel, da arbeiten wir dran, die Starterpflanzen fördern, die in ariden Gebieten, in Wüstengebieten und so weiter, schnell hoch kommen. Das sind vor allem die Ölpflanzen, die liefern uns dann gleichzeitig einen fertigen Kraftstoff oder auch Lebensmittel: die Jatropha, Rizinus oder die Jojo-Bäume. Es gibt eine Vielfalt von Ölpflanzen. Man kann beispielsweise große Flächen mit den Ölpflanzen wieder in die Begrünung bringen, riesige Kohlstoffmengen binden, den Menschen in der Chad-Region endlich wieder eine Lebensgrundlage bieten, dass die nicht als Flüchtlinge nach Europa müssen und dort wieder leben können. Wir haben in unserer Studie festgestellt, wenn man einen Teil der ariden Flächen der Welt, nicht die Wüstenflächen, sondern die Randflächen, die vor kurzem noch begrünt waren, mit Ölpflanzen aufbaut, wird man so viel Pflanzenöl erhalten, womit das gesamte Flugbenzin der Erde ersetzt werden könnte. Das heißt, da, wo es technologisch am schwierigsten ist – wann wird ein Interkontinentalflug elektrisch sein oder mit Wasserstoff betankt werden, das sehe ich nicht so schnell kommen, kleine Flugzeuge mit Ökostrom ja, die gibt es schon, und es ist toll, die Entwicklung – bei den großen Internetkontinentalflügen, da kommt dann der Brennstoffwechsel. Pflanzenöle mit solarem grünem Wasserstoff aufhydriert bringt ein bestes Biokerosin, das dann in die Flugzeuge hineingehen kann. Wenn sie dann noch tiefer fliegen und die Emissionen nicht gerade in der Stratosphäre bringen, was schädlich ist für den Klimawandel, dann haben wir auch dort Klimaschutz. Dann können wir auch international fliegen. So viel zum Verzicht. Mit einem solchen Flugzeug kann man das wieder machen. Wir brauchen auch die internationalen Begegnungen in der Welt.
David Goeßmann: Wir haben jetzt über die technische Machbarkeit, die ökonomische Machbarkeit gesprochen. Ich wollte zum Schluss noch einmal zur politischen Machbarkeit kommen. Die Energy Watch Group ist einem sogenannten Runden Tisch Erneuerbare Energien beteiligt, einem Zusammenschluss von NGOs. Worum handelt es sich da, was sind die Forderungen? Und welche Rolle spielen zivilgesellschaftliche Gruppen, Proteste und Kampagnen insgesamt, um die Politik zum Umsteuern zu bewegen?
Hans-Josef Fell: Die Zivilgesellschaft ist fundamental wichtig, weil dort entwickeln sich die Konzepte. Die Pioniere zeigen es als erstes. Wir hatten in den 90er Jahren die Solaranlagen auf den ersten Dächern. Meine ist 1991 gebaut worden. Das war eine Weltrevolution. Die Medien kamen zu mir und haben darüber berichtet. Das brauchen wir. Wenn ganz viele Menschen es einmal selber zeigen, was geht, das ist der eine Aspekt. Sie zeigen dann auch Politikern, das was geht, dass die Technologien da sind. Das ist das eine. Das motiviert auch andere. Beispielsweise in den 90er Jahren: Die bayerischen Solarinitiativen, das waren über 100. Wir haben einmal im halben Jahr eine Solarmesse im Dorf organisiert, haben die Firmen, die das schon können, zusammen geholt. Da haben wir dann viele angefacht und so gab es dann plötzlich 2010 eine Situation, dass in Bayern mehr Solaranlagen standen als in Japan und den USA zusammen genommen. Das war der Effekt der dezentralen zivilgesellschaftlichen Entwicklung, unterstützt natürlich mit dem EEG, die Menschen waren also schon angefacht und wir haben das dann auch genutzt. So ist das explodiert. Und in vielen anderen Regionen nicht, weil es nicht von unten her organisiert war. Das ist das eine, also zivilgesellschaftlich organisiert, nach dem Motto: Es geht, wir machen das so, wir gehen auf die Kommunen zu, unterstützen die Förderung, übernehmen die Genehmigungserleichterung auf der Ebene der kommunalen Politik und organisieren das. Das ist das eine. Das andere ist der zivilgesellschaftliche Protest, das heißt Demonstrationen. Ich bin Fridays for Future so dankbar, dass sie das Thema wieder über große Massendemonstrationen von Jugendlichen nach vorne gebracht haben: „Ihr zerstört unsere Zukunft“, und sie haben Recht, völlig Recht. Greta Thunberg hat übrigens in einer ihrer großen Reden in Davos gesagt, es ist so einfach, ihr müsst die Emissionen nur stoppen. Sie hat verstanden, was Klimaforscher nicht verstanden haben. Die rechnen immer noch an einem Kohlenstoffbudget herum, dass wir angeblich hätten. Stoppen, Schluss, wir haben kein Budget mehr. Diese klaren Aussagen, diese klaren Botschaften sind wichtig. Aber inzwischen ist natürlich die Blockade auch in Deutschland und anderen Ländern so groß, dass die reinen Protestdemonstrationen nicht mehr ausreichen. Sie sind ja auch leider in der Coronakrise stark dezimiert worden. Sie hat dazu geführt, dass diese gesellschaftlichen Aktivitäten, die wir brauchen, vermindert wurden. Ein großer Kollateralschaden. Das wir eigentlich nicht akzeptieren dürften, denn die gesellschaftlichen Kräfte sind groß. Und deswegen gehe ich auch inzwischen einen Schritt weiter und unterstützt auch diejenigen, die einen gewaltfrei zivilen Ungehorsam organisieren. Denn die Blockaden in den Köpfen und in der Gesetzgebung der Regierung haben inzwischen ein Element, wie man es nur in Unrechtsstaaten findet. Sie blockieren den Klimaschutz, sie verhindern den Ausbau der Erneuerbaren und andere Klimaschutzmaßnahmen und Technologien, wie eine Verkehrswende, wie eine Fahrradstadt oder vieles andere. Sie tun es nicht ausreichend und der Effekt wird sein: die Auslöschung der menschlichen Zivilisation. Schon jetzt in manchen Regionen der Welt vorhanden und bald auch noch stärker bei uns, nicht nur im Ahrtal. Das wird immer schlimmer kommen. Und deswegen: das Nichtstun ist nicht mehr trivial. Das war es noch nie und deswegen ist der zivile Protest wichtig, der zivile Ungehorsam. Ich unterstütze Extinction Rebellion, mache ihnen Mut und sage ihnen: Auch ihr habt Vorläufer, die mit diesem aktiven Widerstand gegen fehlende Gesetze, gegen fehlenden Klimaschutz Weltrevolutionen gebracht haben. Wir hätten heute noch zwei Staaten in Deutschland, das DDR-Unrechtsregime, wenn es nicht die mutigen Menschen in der DDR gegeben hätte und Bündnis 90 und anderen Gruppierungen, die mit zivilem Ungehorsam den Staat dazu gebracht haben, dass die Mauer gefallen ist. Wir hätten heute noch die Apartheid in Südafrika, wenn nicht Nelson Mandela oder in den USA Martin Luther King, zivilen Ungehorsam gegen das Unrecht der Apartheid organisiert hätten. Es ist ein Instrument in Staaten, die nicht mehr auf dem Boden des Rechtsregimes sind. Und das passiert gerade wieder, das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Der Klimaschutz ist nicht ausreichend, es ist die Zerstörung der Freiheitselemente und der Freiheitsgrundlagen der kommenden Generation. Das Bundesverfassungsgericht stellt das fest und dennoch: weiterhin kein ausreichender Klimaschutz, landauf, landab. Deswegen haben die Jugendlichen Recht, auch mit zivilem Ungehorsam darauf hinzuweisen und die Finger in die Wunden zu legen.
David Goeßmann: Zu ihrer Person zum Schluss: Was hat sie motiviert damals in den 90er Jahren, sich um Energiepolitik und Klimaschutz zu kümmern. Und was gibt ihnen heute Hoffnung. Sie haben schon früh ein ökologisches Haus gebaut, wie schon gesagt, so dass sie eigentlich das Stromnetz nicht mehr brauchen, weil sie genug erneuerbaren Strom selber produzieren. Was hat sie motiviert und was gibt ihnen Hoffnung?
Hans-Josef Fell: Eine kleine Korrektur: seit den 70er Jahren mache ich das schon, seitdem ich denken kann, als ich Abitur gemacht habe und dann Physik studiert habe, als der Bericht des „Club of Rome“ die Endlichkeit der Ressourcen dargestellt hat, wo dann fast gleichzeitig die OPEC den Ölhahn zugedreht hat und ich diese friedenspolitischen und machtpolitischen Elemente des fossilen Energiesystems kennen gelernt habe, das als Waffe benutzt wird, um Kriege zu machen. Ich hab die Ölkriege gesehen im Irak und anderswo. Für mich waren das immer verbundene politische Ziele: der Klimaschutz, eine saubere Umwelt, aber auch Frieden. Das stand bei mir ganz im Mittelpunkt der 70er Jahre. In meinem Physikstudium habe ich dann relativ schnell Atmosphärenphysik kennen gelernt. Nicht nur was Treibhausgase machen, das war damals alles schon klar, nicht nur mir, auch anderen. Wär es wissen wollte, konnte es wissen. Aber ich habe auch gelernt, dass die Sonne 10.000 Mal mehr Energie auf die Erde strahlt als wir Menschen an Energie brauchen. Ja, da bin ich einfach nur verrückt geworden. Warum nutzen wir die denn nicht? Es gab schon 1930 die ersten Solaraktien in Madrid. Das gab es alles schon. Das war alles schon da. Dann wurde mir natürlich klar, das ist ein Machtapparat, das fossil-atomare Wirtschaftssystem. Heute wissen wir mehr darüber, wie Exxon beispielsweise die Klimawandelleugner-Wissenschaft finanziert hat, um ihre Interessen zu wahren. Die hatten die wissenschaftlichen Ergebnisse in den 70er Jahren, die zeigen, wie ihre Geschäftstätigkeit zur Zerstörung des Planeten führt, das wussten die alle, alles bekannt. Das hat mich natürlich wütend gemacht, aber auch engagiert. Ich wollte nicht teilhaben an diesem System, das die Erde zerstört und die menschliche Grundlage zerstört. Ich habe deswegen immer an erneuerbaren Energien, sauberen Technologien, biologischer Landwirtschaft und all diesen Sachen gearbeitet. 1985 habe ich mein Haus gebaut, so, wie mir die Menschen sagten, dass das ja nicht geht. 1996 habe ich es geschafft, 100 Prozent Erneuerbare. Das geht nicht, hörte ich ein paar Jahre vorher. Geht immer alles nicht. Ich habe dann 1992 die erste Gesetzgebung auf kommunaler Ebene für kostendeckende Vergütung für Solarstrom gemacht. Das geht doch nicht, hörte ich immer. Du wirst schon sehen, jetzt habt ihr zwar einen kommunalen Beschluss, aber das bayrische Wirtschaftsministerium wird euch schon noch einfangen. Es wird euch sagen, dass die Umlage auf die Strompreise nicht rechtens ist. Doch, wir haben es geschafft. Wir waren in Gesprächen im Wirtschaftsministerium und das hat sie genehmigt. Das war auf kommunaler Ebene, hieß es, da kann man mal sowas machen wie so eine kostendeckende Vergütung. Aber du spinnst ja, ein Bundesgesetz für erneuerbare Energien mit Einspeisevergütungen und so. Das ist doch rechtswidrig, das geht doch gar nicht. Wir haben es gemacht, es hat funktioniert. Ja, vielleicht in dem kleinen Deutschland, nur die dummen Deutschen mit ihrer Atomangst, die kriegen vielleicht sowas hin. Atomangst, schon dieser diffamierende Begriff, es gibt berechtigte Gründe, viele Ängste zu haben vor der Atomenergie. Aber glaubst du denn, das wird irgendwo in der Welt kopiert? Schnell wurde es kopiert, 60 Nationen haben es kopiert. 100 mal in Teilbereichen insgesamt und vor allem sogar China. Ich war viel in China, ich habe viel mit ihnen gesprochen und sie haben es gemacht. Also ich lasse mir das nicht mehr sagen, das geht nicht, sondern wir können das machen. Das ist die Botschaft, die von meiner Lebenserfahrung ausgeht: Nehmt die Grundlagen, die wir brauchen, macht nicht Nebensächlichkeiten. 100 Prozent erneuerbare Energien, 100 Prozent biologische Land- und Forstwirtschaft, 100 Prozent saubere emissionsfreie und abfallfreie Materialwirtschaft. Das geht, man kann es organisieren, man muss es wollen und dann alles tun, die Details auf den Weg bringen und dann kommen wir auch dazu.
David Goeßmann: Vielen Dank für das Interview.