06.12.2009
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Einleitung: 

Ein zentraler Bestandteil des Kiotoprotokolls und der Verhandlungen von Kopenhagen sind die sogenannten „marktbasierten Mechanismen“ wie Emissionshandel und „Clean Development Mechanism“. Doch diese Instrumente geraten zunehmend in die Kritik, weil sie im Verdacht stehen, wirksamen Klimaschutz nur hinauszuzögern.

Gäste: 

Tina Löffelsend, Klimareferentin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Ines Koburger, Aktivistin beim Climate Justice Action Network und bei Gegenstrom Berlin

Transkript: 

David Goeßmann: Beim UN-Klimaschutzgipfel in Kopenhagen treffen sich vom 7. bis zum 12. Dezember Staats- und Regierungschefs aus 192 Ländern, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, um über ein Kyoto-Nachfolge-Abkommen zu verhandeln. Insbesondere die Industrieländer stehen in der Verantwortung als Hauptverursacher des Klimawandels. Die USA haben vorgeschlagen, 4 Prozent weniger Treibhausgase bis 2020 gegenüber dem Stand von 1990 auszustoßen. Die EU und Russland wollen ihre CO2-Emissionen um 20 Prozent reduzieren. China und Indien haben angekündigt, die Kohlendioxid-Intensität gemessen am nationalen Wachstum abzusenken, ohne damit absolute Reduktionen zu versprechen.

Umweltschutzorganisationen verlangen von den Industrienationen 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020, um die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. Die zwei Grad-Marke galt bisher als Grenze, ab der die Folgen des Klimawandels unkontrollierbare Effekte erzielen könnten. Nach Rechnungen von Greenpeace ergeben die bislang vorgelegten Ziele der Industriestaaten zusammengerechnet weniger als 20 Prozent.

Gleichzeitig geht es in Kopenhagen um Hilfen für Entwicklungsländer. Sie sind am härtesten betroffen von der Erderwärmung. Nach Berechnungen der Weltbank benötigen die Entwicklungsländer jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar finanzielle Unterstützung, um die Folgen des Klimawandels wie Dürren und Überschwemmung kompensieren zu können. Unabhängige UN-Forscher sprechen sogar von bis zu 600 Milliarden Dollar. Die EU und die USA haben sich in dieser Frage bisher nicht auf Zusagen festgelegen wollen.

Im Studio bei uns sind: Tina Löffelsend. Sie ist Klimaexpertin bei der Umweltschutzorganisation BUND. Und Ines Koburger. Sie ist Klimaschutzaktivistin bei der Organisation Gegenstrom in Berlin. Ich begrüße Sie beide bei Kontext. Schön, dass Sie gekommen sind.

Frau Löffelsend, ich möchte mit Ihnen beginnen. Wie bewerten Sie die Ankündigungen der Industrieländer jetzt im Vorfeld von Kopenhagen? Ist das, was bisher auf dem Tisch liegt, genug, um dem Klimawandel wirksam zu begegnen?

Tina Löffelsend: Es ist nicht genug und es ist auch offensichtlich, dass es nicht genug ist. Sie haben die Greenpeace-Berechnung erwähnt. Auch andere sagen, im Moment liegen 13 bis 18 Prozent, wenn man optimistisch wäre, an Emissionsverpflichtungen der Industrienationen auf dem Tisch. Manche Länder haben sich auch noch gar nicht geäußert. Wir wissen, dass aus wissenschaftlicher Sicht mindestens 40 Prozent, eher 45 Prozent Reduktionen in den reichen Ländern notwendig wäre, um dem Klimawandel angemessen zu begegnen. Das heißt, es müßt deutlich nachjustiert werden. Und natürlich ist da die EU in der Pflicht als einer der größten Wirtschaftblöcke, die bisher auch nur 20 Prozent angeboten haben zumindest als das, was jetzt auf dem Tisch liegt.

David Goeßmann: Frau Koburger, Klimaaktivisten aus der ganzen Welt sind in Kopenhagen. Sie werden auch dahin reisen. Wogegen richten sich die Proteste?

Ines Koburger: Die Proteste in Kopenhagen richten sich gegen die Inhalte, die die UNFCCC (Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen) bisher so hervorgebracht haben. Denn wenn wir bilanzieren die letzten 15 Jahre Klimapolitik, die ja schon betrieben wurde, dann fällt das doch sehr erschütternd aus. Denn klimapolitisch ist es quasi irrelevant, was da passiert ist, global steigen die Emissionen nach wie vor, da gib es nicht einmal ein Eindämmen und ein Stagnieren auf dem damaligen Status, sondern ein weiteres Voranschreiten, was sogar noch schneller geht. Die Szenarien sind alle bekannt. Zudem gibt es starke soziale Verwerfungen, die durch die eingeführten Mechanismen, die marktbasierten Mechanismen, bisher auch schon im Grunde passiert sind. Da ist zu nennen der Mechanismus des “Clean Development Mechanism”. Da geht es darum, dass Emissionen, die eigentlich in den Industrieländern eingespart werden sollen, in Entwicklungsländern oder in Schwellenländern eingespart werden, weil es dort vermeintlich günstiger ist, es zu reduzieren. Das ist halt das grundsätzliche Prinzip. In der Praxis sieht es allerdings so aus, dass die lokale Bevölkerung vor Ort, wo die Projekte umgesetzt werden sollen, massiv darunter leiden, sie von ihren Ländern vertrieben werden, die Landwirtschaften zerstört werden, Biodiversität zerstört wird etc: Menschen real ihre Lebensgrundlage genommen wird und das gerade in Regionen, wo die Betroffenheit vom Klimawandel eh schon viel stärker ist. Das heißt dort gibt es starke Auseinandersetzungen und soziale Verwerfungen. Und natürlich ist es ein zentrales soziales Problem, dass viel zu wenig Klimaschutz überhaupt betrieben wird. Das ist die zweite Ebene der Bilanz. Die dritte, die ökonomische, sieht hingegen sehr positiv aus, zumindestens für die Industrieländer. Zentrale Konzerne, vor allem die Energiekonzerne, die bisher mit den Mechanismen des Kyoto-Protokols sehr sehr gut Gewinne machen konnten. Da sind uns allen noch die Berichte in den Ohren, wie viel Milliarden allein in Deutschland die vier großen Energiekonzerne aufgrund des Emissionshandels gemacht haben, aufgrund der vielleicht nicht ganz korrekten Einführung. Und da fragen wir uns halt: Wieviel Naivität trauen wir eigentlich unseren Politikern zu, dass wir meinen, na ja, die haben ausversehen vergessen, dass das Milliarden Gewinne für die Konzerne bedeutet, aber keine Emissionsreduktionen.

Fabian Scheidler: Erklären Sie vielleicht kurz noch, wie es zu diesen Milliardengewinnen gekommen ist.

Ines Koburger: Da müßten Sie am besten einen Betriebswirtschaftler fragen. Es geht da um eine Einpreisung von nicht ermöglichten Handelsoptionen soweit ich weiß. Die Konzerne in Deutschland, die Energiekonzerne vor allem haben die Emissionszertifikate geschenkt bekommen von der Regierung, ohne die Option, sie zu handeln. Ein Handel war noch gar nicht offen. Und auch nicht notwendig, weil es wurden viel zu viele Zertifikate rausgegeben etc. Was sie dann in ihren Bilanzen gemacht haben, ist zu sagen: “Die Zertifikate sind eigentlich zum Handeln da, wir können aber noch gar nicht handeln. Also gehen uns damit mögliche Einnahmen verloren. Das sind quasi Kosten, die uns dadurch entstehen. Und die wiederum schlagen wir auf die Strompreise.” Das bedeutet, dass jeder einzelne Haushalt in Deutschland zusätzlich gezahlt hat, dass es diesen Emissionshandel, in der Form, wie es ihn bisher in Europa gibt und in Deutschland gibt, auf ihrer Jahresabrechnung sehen konnten, diese Bilanz.

David Goeßmann: Welche Alternativen haben wir denn wenn Sie sagen, der Emissionshandel ist strukturell problematisch, um wirklichen Klimaschutz voranzutreiben. Welche Alternativen würden Sie vorschlagen. Welche Alternativen gibt es?

Ines Koburger: Grundsätzlich muß man schauen, was ist der Emissionshandel für eine Art von Lösung. Es ist eine sogenannte “end of pipe”-Lösung. Das heißt wir setzen da an, wo wir eigentlich schon die Emissionen herausstoßen, nämlich an den Schornsteinen. Wir setzen erst gar nicht da an, zu verhindern, dass überhaupt emittiert wird. Das heißt eine alternative Politik würde immer erst ansetzen zu sagen, wir verhindern grundsätzlich, dass immer mehr emittiert wird. Und eine zentrale Forderung von Gegenstrom Berlin sowie dem Netzwerk, was jetzt in Kopenhagen die Proteste vorbereitet, dem climate justice action Netzwerk, ist, die Resourcen müssen im Boden bleiben. Nur wenn wir sie drin lassen, wenn wir sie nicht verbrennen, werden wir die Emissionen nicht freisetzen. Das ist ein zentraler Perspektivenwechsel. Das ist unsere Position. Wir brauchen einen Perspektivenwechsel, wir brauchen grundsätzliche strukturelle Veränderungen, die außerhalb von Profitlogik und Markt funktionieren. Denn genau diese Logik hat uns eigentlich in diese Klimakatastrophe erst getrieben.

Fabian Scheidler: Frau Löffelsend, viele Nichtregierungsorganisationen darunter auch Greenpeace oder viele andere aus dem globalen Norden unterstützen im Prinzip den Emissionshandel, auch wenn sie kritisieren, dass es Schlupflöcher gibt oder dass er verbessert werden kann. Was ist Ihre Position zum Emissionshandel. Halten Sie ihn für das geeignete Instrument oder die marktbasierten Mechanismen, wie es allgemein heißt, für die geeigneten Instrumente, um dem Klimawandel wirkungsvoll zu begegnen?

Tina Löffelsend: Was wir bis jetzt sehen, ist, dass der Emissionshandel nicht funktioniert. Er funktioniert auf dem Papier ganz wunderbar, wie ich eben geschildert habe. Das heißt, dass möglicherweise zu den günstigsten Kosten die Einsparungen dort vorgenommen werden können, wo das gerade möglich ist. In der Tat passiert das aber nicht so. Das hat Ines Koburger gerade auch richtig geschildert. Tatsächlich ist schon allein die Obergrenze viel zu hoch angesetzt. Es gab eine Überzuteilung an die Anlagen. Das heißt es mußte real nicht eingespart werden. Man kann ganz viele Fragezeichen an diesen Emissionshandel und an die marktbasierten Mechanismen im Allgemeinen setzen. Clean Development Mechanism (CDM) wurde auch schon als großes Schlupfloch angesprochen. Bis zur Hälfte der Minderungsanstrengungen, die in Europa erbracht werden müssen, können durch diese sogenannten CDM-Zertifikate, also Zertifikate, die in Entwicklungslandprojekten generiert werden, ersetzt werden. Und das birgt riesige Probleme in sich und führt auch dazu, dass das berühmte cap, also die Obergrenze im Emissionshandel, tatsächlich noch niedriger liegt als wir sie politisch kennen. Sie liegt im Moment im Emissionshandel vereinbart bis 2020 bei 21 Prozent. Wenn man diese CDM-Zertifikate, ein anderer Begriff ist offsetting, der ist machen vielleicht geläufiger, dazu nimmt, dann liegt er real nur bei 13 Prozent, sagt der Worl Energy Outlook, der gerade herausgekommen ist. Das heißt es fehlt im Inland der Anreiz tatsächlich eine nachhaltige Wirtschaft zu schaffen und eine Umstrukturierung vorzunehmen, die uns tatsächlich auf einen Pfad setzt der Emissionsminderung und zwar auf einen Null-Emissionspfad. Das heißt, Emissionshandel wie er heute existiert, ist sicherlich kritikwürdig. Wir glauben allerdings, und da sind wir tatsächlih so unterwegs, dass wir Einfluss nehmen wollen auf die gegenwärtige Politik, dass uns dieser Emissionshandel in Europa vermutlich noch einige Zeit begleiten wird. Im vergangenen Jahr hat die EU ja den Emissionshandel, dessen Ausgestaltung bis 2020 festgelegt und beschlossen. Das heißt mindestens bis 2020, aber höchstwahrscheinlich auch darüber hinaus werden wir dieses Instrument behalten. Das heißt, es geht uns darum diese Schlupflöcher zu schließen, damit er eine gewisse Wirkung entfaltet. Er deckt ja sowieso bisher nur die Hälfte, rund die Hälfte der Emissionen in der EU ab. Das heißt es fehlen erstens für die anderen Sektoren wie Landwirtschaft, Dienstleistung, Gebäude etc noch ausreichende Pläne, um den auch dort steigenden Emissionen zu begegnen. Außerdem kann der Emissionshandel nicht das einzige Instrument bleiben. Wir haben das sehr erfolgreiche Erneuerbare Energien Gesetz, das maßgeblich dazu geführt hat, dass der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland stetig ansteigt. Es gibt das bekannte Instrument der Ökosteuer, die dringend weiter geführt werden muß. Und es gibt auch die bekannten Verbote und Gebote, d.h. Regularien, die dazu führen, dass tatsächlich klimaschädliche Technologien auch verboten werden müssen, wenn dem so ist bzw. durch Subventionen Anreize geschaffen werden, anders zu produzieren, anders zu konsumieren und auch andere Produkte herzustellen.

David Goeßmann: Deutschland und Europa sehen sich ja immer als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Wie bewerten Sie die Rolle der EU und Deutschlands beim Klimaschutz?

Tina Löffelsend: Man muss sagen im internationalen Kontext, dass die EU und auch Deutschland ein Einäugiger unter den Blinden ist. In der Tat ist es so wie ich anfangs sagte, dass natürlich die Ziele der EU und auch Deutschlands weit hinter dem zurück bleiben, was notwendig wäre. Ich glaube in der Tat, dass der Bundesregierung daran gelegen ist, auch in Kopenhagen zu einem Abkommen zu kommen und dass der Sinn und Zweck des Klimaschutzes in der Regierung angekommen ist. Aber es fehlt die Vermittlung in die realen Instrumente. Nur zu sagen, wir brauchen mehr Klimaschutz und gleichzeitig den Emissionshandel auch mit deutscher Hilfe derart auszuhöhlen, indem eben dieser hohe CDM-Anteil möglich ist, indem eben die Industrie hohe Ausnahmen genießt und die Zertifikate weitgehend kostenfrei zugeteilt bekommen wird auch in der nächsten Handelperiode etc., was alles maßgeblich auf das Bestreben der Bundesregierung zurückgeht: So macht man Klimaschutz nicht ernsthaft. An der Stelle ist auch die Kanzlerin gefordert den von ihr angestrebten Titel der Klimakanzlerin sich auch tatsächlich wieder zu erwerben. Wenn man zum Beispiel bei der Frage der Klimafinanzierung in letzter Zeit die Bundesregierung als Bremser wahrnehmen mußte. Sie hat sich dagegen gesträubt, dass die EU konkrete Zahlen auf den Tisch legt, was sie bereit ist an Entwicklungsländer zu zahlen. Und ist da natürlich im Kanon mit den anderen großen Industrienationen keinen Deut besser.

Fabian Scheidler: Frau Koburger, in Deutschland sind etwa 27 neue Kohlekraftwerke geplant. Kann man mit diesen Plänen eigentlich noch ernsthaften Klimaschutz in Deutschland erwarten?

Ines Koburger: Also diese Pläne und zum Teil sich ja auch schon in Realisierung befindlichen Bauprojekte sprechen ja eigentlich eine ganz andere Sprache. Nämliche eine sehr faktische, entgegen all der Bekundungen, die wir von der Bundesregierung letzte Woche wieder gehört haben. Diese 27 geplanten Neubauten sind ja keine sogenannten Übergangstechnologien, wie es lange lange auch immer wieder seitens der Bundesregierung und vor allem der Energiekonzerne hieß, sondern das ist eine Festschreibung wieder einer fossilistischen Energiegewinnung auf über 40 Jahre. Und das bedeutet jährlich mindestens 170 Millionen Tonnen CO 2-Produktionen allein hier in Deutschland zusätzlich. Diese Politik, dieses zu genehmigen, dieses durchzuführen steht im totalen Widerspruch dazu, eine ernsthafte Klimaschutzpolitik zu machen.

David Goeßmann: Es gibt ja auch die Möglichkeit, CO 2 in der Erde zu lagern. CCS nennt man das. Ist das Ihrer Meinung nach eine gangbare Lösung. Sollte man darauf setzen?

Ines Koburger: Die Probleme, die mit CCS auftauchen, sind ähnliche wie zum Teil wie bei der Atomenergie. Dass eine Lagerung überhaupt nicht klar und sicher ist, total gefährlich ist und dass wir weiter auf eine Energieproduktion setzen, die zentral ist anstatt dezentral, die fossilistisch ist und die das Ganze, den Prozess wieder in die Zukunft verlagern und bedeutet überhaupt keine strukturelle Veränderung in unserer Gesellschaft, die eigentlich notwendig ist.

David Goeßmann: Sowohl die USA als auch die EU wollen sich nicht auf konkrete Ausgleichzahlungen an Entwicklungsländer festlegen. Die deutsche Regierung will zwar etwas zahlen, aber hat angekündigt, die Summe gleichzeitig vom Entwicklungshilfehaushalt abzuziehen. Also kein Cent mehr für die Länder des Südens. Ihre Einschätzungen?

Ines Koburger: Ich war relativ sprachlos, dass sie das so direkt und so dreist gemacht haben. Dass sie nicht einmal etwas drauf gesattelt haben auf den eh schon sehr geringen Entwicklungshilfefonds, der nicht einmal den eigentlichen Plänen und Vorgaben entspricht in der Praxis. Das hat mich schon sehr schockiert. Auch gerade im Rahmen der Debatte, die zumindestens in dem Kopenhagen Kontext doch schon sehr stark klar macht, es gibt da eine ganz starke Notwendigkeit und auch eine Verpflichtung, Hilfen zu zahlen. Da muß man politisch natürlich auch unterschiedlich bewerten. Reden wir weiterhin, die armen Entwicklungsländer, und die leiden ja auch am meisten darunter, also helfen wir ihnen wieder. Ich finde das sehr problematisch, das so zu sagen, weil es hat etwas sehr Paternalistisches. Im Gegensatz dazu sitzen wir hier im globalen Norden in den Industrieländern und unsere Art zu leben, zu konsumieren, zu produzieren, verursacht diese Krise, verursacht, dass Menschen real die Lebensgrundlage entzogen wird. Und deswegen geht es auch eigentlich darum, Reparationszahlungen zu zahlen. Das ist auch eine zentrale Forderung von sozialen Bewegungen aus dem globalen Süden. Eine ökologische Schuld anzuerkennen, die historisch ist und die klimapolitisch ist und die viele soziale und ökologische Auswirkungen hat und die Reparationen verlagen und zwar in einem hohen Maß und die auch notwendig sind, wie viele Gutachten belegt haben und die nicht mit einem Weiter-So in diesem Bereich zu erledigen sind.

Fabian Scheidler: Die Polizei in Kopenhagen hat im Vorfeld des Gipfels ein Büro von Klimaktivisten aufgebrochen und Unterlagen und Laptops beschlagnahmt. Die dänische Regierung hat das Demonstrationsrecht vor dem Gipfel verschärft. Das Gesetzespaket sieht 40 Tage Gefängnis bei friedlichen Sitzblockaden vor, eine Verfünffachung von Bußgeldern für die Störung der öffentlichen Ordnung und eine Ausweitung der Vorbeugehaft. Frau Koburger, ihre Einschätzung der Situation. Was kommt in Kopenhagen auf die Aktivisten und Demonstranten zu?

Ines Koburger: Zunächst haben wir diese Entwicklung auch schon so gedeutet, dass zu spüren ist, dass Widerstand wächst. Dass zu spüren ist, dass diese Politik, die bisher auf dieser Ebene betrieben wurde, nicht zu den notwendigen Ergebnissen führt. Und dass Leute damit nicht mehr weiter leben wollen, dass sie lauter werden. Und es gibt da eine Aktion beispielsweise, die heißt Reclaim Power, die Monate vorher angekündigt hat, eine Aktione des zivilen Ungehorsams zu organisieren. Was bedeutet, sich nicht an die gegebenen rechtlichen Maßstäben zu halten, sondern das zu überwinden, um die eigene Stimme wieder zu erheben, um klar zu machen, es geht um eine ganz andere Agenda, die dort eigentlich diskutiert werden muß, und zwar eine Agenda der Klimagerechtigkeit. Wir nehmen die Entwicklung mit Besorgnis hin, wir sehen, dass in der dänischen Bevölkerung das ein sehr starker Konsens ist, diese Gesetzesentscheidung durchzuführen. Und trotzdem werden wir uns davon nicht einschüchtern lassen. Und wollen uns auch nicht kriminalisieren lassen. Und das ist eigentlich der Effekt, den wir im Moment durch diese Gesetzesänderung sehen. Und wir haben da große Befürchtungen, dass eben Bürgerrechte dort stark eingeschränkt werden, Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Wenn man 40 Tage dafür ins Gefängnis geht, an einer Sitzblockade teilzunehmen, dann ist das doch schon sehr sehr drastisch und wird in Deutschland in den Medien glücklicherweise etwas kritischer diskutiert. Ob uns das hilft dann in Kopenhagen, wirklich auch unsere Stimmen zu erheben, dass wird sich zeigen.