05.04.2011
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Einleitung: 

Als Antwort auf den Klimawandel und andere Krisen werden zunehmend großtechnische „Lösungen“ diskutiert, von der Düngung von Ozeanen mit Eisen bis zur Verdunkelung der Atmosphäre durch Schwefel. Die Gefahren sind unabsehbar, sagt Pat Mooney. Nicht minder gefährlich: Die Schaffung neuer Lebensformen durch synthetische Biologie, gegen die herkömmliche Gentechnik wie ein Kinderspiel anmute, so Mooney.

Gäste: 

  

Pat Mooney, Direktor der „Action Group on Erosion, Technology and Concentration“ (ETC), Kanada; Träger des „Alternativen Nobelpreises“; Autor von "Next Bang. Wie das riskante Spiel mit Megatechnologien unsere Existenz bedroht"
Transkript: 

David Goeßmann: Willkommen bei Kontext TV. Der Klimawandel schreitet immer weiter voran, die Regierungen haben es bei den UN-Gipfeln in Kopenhagen und Cancun nicht geschafft, sich auf Emissionsreduzierungen zu verpflichten, die ausreichen, um katastrophale Veränderungen des Klimasystems zu verhindern.

Fabian Scheidler: Angesicht mangelnder Bereitschaft, Produktions- und Lebensweisen besonders in den reichen Ländern grundlegend zu ändern, scheint die Stunde derjenigen gekommen zu sein, die durch großtechnische Lösungen dem Klimawandel und anderen Problemen beikommen wollen - von der "Düngung" der Ozeane mit Eisenspänen, der Speicherung von CO2 in der Erde bis zur Einbringung gewaltiger Schwefelmengen in die Atmosphäre. Auch synthetische Biologie und Nanotechnologie werden von Unternehmen immer wieder als Wunderlösungen für Nahrungskrisen und andere Menschheitsprobleme angepriesen.

David Goeßmann: Auf dem Weltsozialforum in Dakar, Senegal, sprachen wir am 7. Februar mit Pat Mooney, einem der prominentesten und engagiertesten Kritiker dieser Technologien. Mooney erhielt für seine Arbeit den "Right Livelihood Award", der auch als "Alternativer Nobelpreis" bekannt ist.

David Goeßmann: Wir befinden uns hier in der Universitätsbibliothek von Dakar, Senegal, wo das diesjährige Weltsozialforum stattfand. Unser Gast ist heute Pat Mooney. Mooney ist Mitglied der Initiative "Erosion, Technology and Concentration", kurz ETC, in Kanada. Er ist Räger des Alternativen Nobelpreises und hat intensiv zu den Gefahren neuer Technologien wie Geo Engeneering - der technischen Manipulation von Erdsystemen - und Nanotechnologie geforscht.

Fabian Scheidler: Pat Mooney ist Autor des Buches: "The Next Bang", das zuerst in Deutsch erschienen ist und bald auch auf Englisch erscheinen wird. Willkommen zu Kontext TV, Pat Mooney.

Pat Mooney: Danke für die Einladung.

Fabian Scheidler: Was ist der Grund, warum Sie hier in Dakar sind?

David Goeßmann Seit dem Erdhipfel in Rio 1992 sind viele internationale Konferenzen zum Klimawandel und Umweltproblemen abgehalten worden. Wie bewerten Sie die Ergebnisse dieses Prozesses?

Pat Mooney: Wir sollten nicht über Rio plus 20 reden, sondern über Stockholm plus 40. Die erste wichtige Umweltkonferenz wurde 1972 in Stockholm abgehalten. Rio war dann 20 Jahre später. In diesem Zusammenhang ist das Ergebnis klar: Wir haben eine Art Stockholm-Syndrom in der Zivilgesellschaft erlebt. Wir haben uns in die Geiselnehmer verliebt, wir haben uns in das UN-System verliebt. Wir lieben nun die UN-Verhandlungen, wir sind Anhänger von Begrenzungen, um die sich alle internatinalen Umweltdebatten der Vereinten Nationen drehen. Also die Ergebnisse sind ziemlich schlecht. Wir in der Zivilgesellschaft haben wenig erreicht. Die Regierungen haben in den letzten vierzig Jahren versagt.

David Goeßmann: Warum haben wir versagt?

Pat Mooney: Die Regierungen haben die Probleme nicht ernst genommen. Sie wurden unmittelbar nach der Konferenz in Stockholm von Neoliberalismus, ökonomischem Wachstum und technologischer Problemlösung vereinnahmt. Heute haben wir eine Welt voller Regierungen, die sagen, dass man Sozialpolitik nicht mehr brauche, man müsse sich darüber keine Gedanken mehr machen. Wir müssen nur der Industrie zuhören, wie die technologische Verbesserung aussieht. Sie bringen uns aus der Nahrungskrise, der Treibstoffkrise, der Klimakrise und der Finanzkrise. Sie kümmern sich um uns. Wir müssen ihnen nur die Mittel geben und das Regelwerk, in dem sie die Probleme lösen werden. Diese Haltung ist hoffnungslos. Das führte dazu, dass wir allein im letzten Jahr 2 Prozent unserer Pflanzendiversität auf der Erde verloren haben, fünf Prozent unserer Vielfalt im weltweiten Tierbestand. 26 verschiedene Sprachen sind im letzten Jahr verschwunden. Eine enorme Menge an kultureller Vielfalt ist untergegangen. Und sie machen immer weiter und denken, dass sie immer weiter technologische Lösungen für alles parat haben.

Fabian Scheidler: Pat Mooney, Sie warnen schon seit einiger Zeit vor den Gefahren technokratischer “grüner” Lösungen, um dem Klimawandel und anderen Umweltproblemen zu begegnen. Welche Technologien meinen Sie damit genau und was sind die Gefahren dieser Technologien?

Pat Mooney: Ich sollte klar machen, dass ich Technologien liebe. Ich denke, dass das wirklich großartig ist. Nicht alles, aber ich bin fasziniert. Ich unterstütze die Wissenschaft voll und ganz. Aber was vorgeschlagen wird ist nicht die Lösung. Sie setzen sich nicht mit der Realität vom Ende des Erdölzeitalters, dem Peak Oil, auseinander, sie sehen nicht, dass wir unsere Energieresourcen verschwenden und nicht so weiter machen können. Im Gegenteil: Wir sollen uns nicht sorgen, wir haben ja Nanotechnologie. Sie werden es massiv erleichtern, Energie von der Sonne und vom Wind zu erhalten und so weiter. Auch werde die Maschinen in Zukunft weit weniger Energie benötigen. Das ist die Antwort. Auch in Sachen Nahrungskrise, Biotreibstoffen und Plastik und so weiter beruhigt man uns. Wir werden eine zweite oder dritte Generation der Biotechnologie entwickeln, die man synthetische Biologie nennt. Die wird alle Probleme lösen. Entspannt Euch. Don't worry, be happy. Alles wird schön.

Fabian Scheidler: Was ist unter synthetischer Biologie zu verstehen?

Pat Mooney: Es ist eine Art Turbo-Biotechnologie. Mit Biotechnologie transferiert man Gene von einer Tierart auf eine andere. Das ist ziemlich einfach, aber auch am Ende eine schmutzige Angelegenheit, es funktioniert nicht wirklich. Aber so wird's gemacht. Mit der synthetischen Biologie baut man sich seine eigene DNA. Man fängt ganz unten an und strukturiert die DNA so, dass man genau das herstellen kann, was man will. So stellt man die Basispaare her. Man kann genau festlegen, wie der Organismus funktioniert. In der Theorie - und es ist gänzlich eine Theorie - glaubt man mit der synthetischen Biologie Mikroorganismen herzustellen, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Sie können die Zellulose-Faser in Wälder dann fressen und die in Zucker verwandeln. Sie können in Plastik, Nahrung, Treibstoff oder Möbel oder sonst was umgewandelt werden. Sie kontrollieren einfach die Biomasse schaffen mit den Mikroorganismen in ein beliebiges Endprodukt.

Fabian Scheidler: Was sind die Gefahren dieser Technologie?

Pat Mooney: Nun, sie ist ungeheuer machtvoll und gefährlich. Vielleicht funktioniert das auch gar nicht. Möglich ist auch, dass es nur manchmal oder nur zu einem Teil klappt. Aber wir glauben, dass damit neue Lebensformen erschaffen werden, die wir bisher noch nicht gesehen haben. Im Vergleich dagegen sind genetisch veränderte Organismen bloßes Kinderspiel. Man kreiert Dinge, die man sich nicht vorstellen kann. Im letzten Jahr fanden Forscher an der Cambridge University heraus, dass man Zellen überlisten kann, so dass sie nicht wie üblich 20 Aminosäuren, die Basis jeden Lebens, ausbilden, sondern 276. Stellen Sie sich das mal vor. Sie erhalten so mit den 278 Aminosäuren statt den 20 mehr Biodiversität in einem Test-Behälter als im ganzen Amazonas. Das ist eine unnatürliche Biodiversität, die die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Was machen wir mit solchen Lebensformen? Was passiert, wenn sie in die Umwelt geraten? Alles in den Labors gelangt schließlich nach draußen. Was geschieht dann? Letztes Jahr wurde innerhalb der synthetischen Biologie deutlich, dass man nicht nur neue Lebensformen herstellen kann, sondern zum ersten Mal auch künstliche, sich selbst erneuernde Lebensformen. Wenn man die Vermehrung und Mutation fortsetzt. Und noch einmal: Die Macht dieser Technologie wie schlampig und ineffektiv sie auch erscheinen mag ist etwas, was wir bisher noch nicht auf dem Planeten gesehen haben.

David Goeßmann: Wer finanziert diese Art Wissenschaft?

Pat Mooney: Die selben netten Leute, die uns den Klimawandel erst gebracht haben, die uns mit Geo Engeneering die Krise einbrockten, in der wir jetzt sind. Es sind BP, Exxon Mobil, Shell und die großen Plastik-Chemie Unternehmen, Dupont, Monsanto und BASF. Sie nehmen die Führung in dieser Forschung ein. Und es sind unsere Regierungen. Große Investitionen kommen von dem US-amerikanischen Energieministerium und Landwirtschaftsministerium, von der britischen Regierung und so weiter.

Fabian Scheidler: Was ist unter dem Begriff Geo Engeneering zu verstehen und was sind die Gefahren?

Pat Mooney: Es ist ein interessanter Begriff, nicht wahr? Ich dachte, die Technologie wäre vorgeschlagen worden, um die Kreisläufe der Ozeane, die Sonnenreflexion der Stratosphäre neu zu strukturieren, zum Beispiel. Wir dachen, ja, das ist Geo Engeneering. Wir dachten auch, dass es der abfälligste Begriff sein könnte, den man sich vorstellen könnte: den Planet zu geo engeneeren. Die Wissenschaftler, die daran arbeiteten, nannten es selber so. Die denken, das sei eine gute Sache. Wir denken, es ist eine schreckliche ist. Sie glauben, dass sie damit beweisen, dass Menschen in Zukunft den Planeten steuern können. Wir haben den Klimawandel, und die Industrie, die BPs und die Duponts der Welt haben uns den gebracht. Jetzt sagen sie: Seid unbesorgt, wir kümmern uns darum, wir geo engeneeren euch aus der Krise heraus. Und die beiden Instrumenten, die das leisten sollten, waren erstens: die Veränderung der Oberfläche der Ozeane, damit sie Treibhausgase aufnehmen und dann auf den Boden sinden, um sie so aus dem Weg zu bekommen. Oder zweitens: die Reflektion von Sonnenlicht, man versprüht Sulfate in die Stratosphäre, die blocken das Sonnenlicht, so dass die Temperatur gesenkt und möglicherweise sogar die Methan-Emissionen in der Arktik reduziert werden können. Das schafft uns wieder ein wenig Zeit, um währenddessen vielleicht eine weiter Lösung zu finden. Die Gefahren sind möglicherweise offensichtlich. Für mich ist am erstaunlichsten, dass wir nicht genug über den Planeten wissen, wir wissen nicht, genug darüber, wie das planetarische Systeme arbeiten. Sie wollen Gott spielen mit den Ozeanen, mit dem Himmel, und das auf eine Weise, die weit entfernt davon ist sicher zu sein und die Armen fair zu behandeln. Es wird nicht stattfinden.