16.10.2015
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Einleitung: 

Die US-Außenpolitik und westliche Interventionen hätten seit der Jahrhundertwende eine Spur der Zerstörung nach sich gezogen, so die beiden Ex-Geheimdienstanalysten Ray McGovern und Elizabeth Murray. Die Invasion im Irak, die militärische Intervention in Libyen, die Unterstützung von radikalen Rebellengruppen in Syrien hätten die Region ins Chaos gestürzt und die aktuelle Flüchtlingskrise ausgelöst.

Gäste: 
Elizabeth Murray, ehemalige Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten beim "National Intelligence Council" der US-Regierung; Mitglied des "Veteran Intelligence Professionals for Sanity".
Ray McGovern, ehem. CIA-Analyst mit Schwerpunkt russische Außenpolitik, verantwortlich für die tägliche Lagebesprechung beim US-Präsidenten und die "National Intelligence Estimates"; Mitglied des Lenkungsausschusses der "Veteran Intelligence Professionals for Sanity".

Die US-Regierung habe mit dem IS die „Geburt eines Frankenstein-Monsters“ zugelassen. Dabei habe man Geheimdienstinformationen ignoriert und etwa 60 Rebellengruppen, die dann zum IS übergelaufen sind, unterstützt. Nun sei die Lage im Nahen Osten „völlig außer Kontrolle“, sagen Elizabeth Murray und Ray McGovern. Die Ausrichtung der Syrienpolitik der USA ähnele dabei der Israels: Die Krise soll weiter am Köcheln gehalten werden, um Syrien als Machtfaktor in der Region auszuschalten, so McGovern weiter. Eine Lösung könne es aber nur geben, wenn die betroffenen Länder an einen Tisch zusammengerufen würden und dem westlichen Alliierten Saudi Arabien die Unterstützung des IS untersagt werde. Der eigentliche Auslöser des Chaos im Nahen Osten und damit auch der Flüchtlingskatastrophe sei die Irak-Invasion der USA 2003. Darüber spreche man in Deutschland jedoch nicht. Wenn Deutschland nicht will, dass immer mehr Flüchtlinge kommen, dann müsse die Bundesregierung ihr Verhältnis zu den USA, insbesondere ihre Beihilfe zum Drohnenkrieg überdenken.

Einer der Chefs der amerikanischen Denkfabrik Stratfor nannte den Putsch in Kiew vom 22. Februar 2014 den „wohl unverhohlensten Putsch in der Geschichte der Menschheit“. Der Staatsstreich sei von US-Geheimdiensten mit Hilfe westlicher Geheimdienste und „Proto-Faschisten als Speerspitze des Maidan-Putsches“ organisiert worden, so McGovern. Das konnte Russlands Präsident Vladimir Putin nicht hinnehmen. Es sei vielversprechend, so McGovern weiter, dass die USA bei den Vierergesprächen ausgeschlossen wurden. Sie seien jedoch durch die „US-Marionette“ Poroschenko vertreten. Wenn Merkel und Holland sich im Fall Ukraine nicht gegen die USA durchsetzen können, dann „haben wir echte Probleme“. Das Minsk-Abkommen sei gut, müsse aber jetzt umgesetzt werden. Es sei notwendig, dass Kiew der Ostukraine eine gewisse Autonomie zuspricht. Es gehe ja dort nicht, wie immer wieder behauptet werde, um eine Abspaltung oder einen Anschluss an Russland, sondern um Regionalautonomie.

Nach der Intervention in Libyen sei das Land in Chaos versunken und ein Aufbau auf absehbare Zeit nicht denkbar. Der Irak liege in Ruinen. Der Westen und die „humanitären Einsätze“ der USA und Nato-Staaten seien für die jetzige Situation in diesen Ländern verantwortlich, sagt Murray. Statt militärische Gewalt anzuwenden hätte man diplomatische Gespräche suchen müssen. Das gelte auch für Syrien. Man müsse Gaddafi oder Assad nicht gut finden. Aber niemand habe das Recht zu bestimmen, welche Staatsoberhäupter weichen müssten. Für McGovern steht fest, dass man an Assad in Syrien erst einmal nicht vorbeikomme. Die Alternative sei eine Herrschaft des IS. Der Ex-CIA-Analyst hat Zweifel, ob die Obama-Administration dieser komplexen Aufgabe gewachsen sei.

Für die Massenüberwachung nach 9.11. gäbe es keine Rechtfertigung. Sie verstoße gegen die US-Verfassung. Dass die Deutschen, die die Stasi kennen, ihre eigene Ausspähung so gleichgültig hinnähmen, besorgt McGovern. Das Argument, man habe nichts zu verbergen, sei naiv. Die Behörden entschieden über die Verwendung der gesammelten Daten; Erpressung sei nur eine von vielen Möglichkeiten. Auch in Deutschland bräuchte es Whistleblower wie Edward Snowdens, das zeige nicht zuletzt der Netzpolitik-Skandal, so Murray. In den USA wären diese Journalisten bereits längst hintern Gittern, man lebe dort gegenwärtig in einem neu aufgelegten „Stasi-Staat“. Auch die deutschen Medien würden das Thema Massenüberwachung klein halten. Es sei jedoch sehr wichtig, dass Journalisten auf die Gefahren des Überwachungsstaats hinwiesen. „Sie ist eine Bedrohung für uns alle“.