09.05.2014
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Daniela Dahn, Journalistin und Schriftstellerin, Mitbegründerin der DDR-Oppositionsgruppe "Demokratischer Aufbruch", Buchautorin ("Wehe dem Sieger!", "Wir sind der Staat!" u.a.)
Tomasz Konicz, Journalist, Mitarbeiter der Gruppe "Krisis", Buchautor ("Politik in der Krisenfalle: Kapitalismus am Scheideweg")

Die Stiftung "Open Ukraine" des ukrainischen Übergangs-Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk wird seit langem von westlichen Stiftungen, darunter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, sowie der NATO finanziert, sagt Daniela Dahn in ihrer Rede im Nationaltheater Weimar. Westliche Politiker - darunter der deutsche Botschafter in Kiew - hätten außerdem immer wieder Kontakt zur rechtsextremen Swoboda-Partei gepflegt, die wesentlich am Sturz der Regierung Janukowitsch beteiligt war und heute drei Ministerien in der ukrainischen Regierung führt. Angesichts der "schwer ertträglichen Einseitigkeit unserer Großmedien" sei es uanbdingbar, sich ein differenziertes Bild der Situation in der Ukraine zu bewahren.

Ohne die bewaffnete Gewalt der Rechtsextremen, die etwa ein Drittel der Maidan-Aktivisten ausgemacht hätten, wäre ein Sturz der Janukowitsch-Regierung nicht möglich gewesen, so Tomasz Konicz. EU und USA hätten die Zusammenarbeit der CDU-nahen Klitschko-Partei "Udar" ("Der Schlag") und des jetzigen Ministerpräsidenten Jazenjuk mit Neonazis billigend in Kauf genommen, um in der Ukraine geopolitische Ziele durchzusetzen - ein "Zivilisationsbruch". Doch die ultrarechten Kräfte gerieten nun außer Kontrolle, überall im Land formierten sich Milizen, die Ukraine drohe zu einem "failed state" zu werden. Auch die ehemalige Ministerpräsidentin Timoschenko bilde bereits eigene Milizen, ebenso prorussische Kräfte in der Ostukraine. Zugleich würden zahlreiche Neonazis in die  Polizei und die Nationalgarde integriert.

EU und USA würden in der Ukraine nur scheinbar an einem Strang ziehen - tatsächlich hätten sie unterschiedliche geopolitische Interessen: Ziel der USA sei es, einen Keil zwischen Westeuropa, besonders Deutschland, und Russland zu treiben, um langfristig ein Bündnis, das von Peking über Moskau bis Berlin reichen könnte, zu verhindern. Die EU dagegen wolle vor allem die von Wladimir Putin anvisierte "Eurasische Wirtschaftsunion" verhindern oder schwächen, die als Konkurrenz zur EU gesehen wird.

Der Einsatz von Militär in der Ostukraine sei ein Verstoß gegen das Genfer Abkommen von Mitte April. Statt zu verhandeln, nutze die "Übergangsregierung" , so Tomasz Konicz, genau die Form von Gewalt, die man Janukowitsch vorgeworfen habe.

Das EU-Assoziierungsabkommen, das von der Regierung Janukowitsch abgelehnt worden war und von der Jazenjuk-Regierung inzwischen teilweise unterzeichnet wurde, werde zu einem Zusammenbruch der ostukrainischen Industrie führen, so Tomasz Konicz, denn diese Industrie sei gegenüber westlichen Produkten nicht konkurrenzfähig. Dieser Zusammenbruch sei durchaus intendiert: Westliche Unternehmen könnten  auf diese Weise Flletstücke günstig kaufen, ähnlich wie nach dem Zerfall des Sowjetreiches. Ziel sei es außerdem, die Ukraine zu einem peripheren Billiglohnland zu machen. Die Kürzungsprogramme des IWF, denen sich die neue Regierung gebeugt hat, würden ähnlich verheerende Folgen wie in Griechenland haben. Die Krise der Ukraine sei darüberhinaus im Zusammenhang einer gesamtkapitalistischen Systemkrise zu sehen. Immer mehr Staaten würden kollabieren, die Krise fresse sich von der Peripherie langsam aufs Zentrum zu.