15.02.2016
Share: mp3 | Embed video
Einleitung: 

Europa werde zwischen Autoritarismus und Inkompetenz zerrieben, so Yanis Varoufakis auf Kontext TV. Mangel an Demokratie sei schuld am ökonomischen Desaster der EU. In den USA wäre eine Regierung bei einer anhaltenden Arbeitslosigkeit von 11 bis12 Prozent längst gestürzt und die Bürokraten gefeuert worden. In der EU geschehe das Gegenteil. Die "Komödie an Verfehlungen" gehe immer weiter. Denn die eigentlichen Entscheidungen würden in Hinterzimmern von demokratisch nicht legitimierten und kontrollierten Akteuren getroffen. Die von Varoufakis mitgegründete Initiative „Democracy in Europa Movement 2025“, kurz DiEM25, möchte den Kollaps der EU durch Demokratisierung verhindern.

Gäste: 

Yanis Varoufakis: Ehemaliger Finanzminister Griechenlands und Mitbegründer von "Democracy in Europe Movement 2025" (DiEM25)

Der Mangel an Demokratie sei schuld am ökonomischen Desaster der EU, so Varoufakis. In den USA wäre eine Regierung bei einer anhaltenden Arbeitslosigkeit von 11 bis12 Prozent längst gestürzt und die Bürokraten gefeuert worden. In der EU geschehe nichts. Die "Komödie an Verfehlungen" gehe weiter wie zuvor. Denn die eigentlichen Entscheidungen würden in Hinterzimmer von demokratisch nicht legitimierten und kontrollierten Akteuren getroffen, wie der Euro-Arbeitsgruppe. Das dahinter stehende Interessenkartell müsse gestoppt werden. Sonst breche die EU zusammen. "Der Grund, warum wir in Deutschland, in Großbritannien, in Griechenland oder in den Vereinigten Staaten eine Demokratie haben, ist darin begründet, dass Kapitalismus ohne Demokratie ein sehr unzivilisiertes System ist, in dem das Leben gemein, brutal und kurz ist."

Varoufakis ist Mitbegründer von DiEM25 - Democracy in Europe Movement 20205. Die Bewegung möchte eine Plattform sein für eine Demokratisierung der EU. Die drei Kernforderungen von DiEM25 sind: Transparenz der EU-Institutionen, ihre Wiederbelebung im Dienste der Bürger und die Initiierung einer europäischen Verfassung im Rahmen einer Generalversammlung. Varoufakis schlägt daher zuerst einmal vor, die Sitzungen der Euro-Gruppe, des Ecofin-Rats und die Tagungen des Europäischen Rates live zu übertragen; auch die EZB-Protokolle sollten wie die der Federal Reserve oder der Bank of England veröffentlicht werden. Zudem müssten die EU-Institutionen neu ausgerichtet werden. So könnte die EZB statt Staatsanleihen aufzukaufen, wodurch die Pensionsfonds niederdrückt würden, Anleihen der „Europäischen Investitionsbank erwerben und dadurch einen Green New Deal" finanzieren. Aber für solche Vorschläge fehlt es an demokratischen Foren. Das europäische Parlament sei ein "Scheinparlament" ohne gesetzgeberische Kompetenzen. Zudem: "Ohne Verfassung können wir keinen Binnenmarkt haben, der tatsächlich funktioniert und der zu wirtschaftlichen Ergebnissen führt, die übereinstimmen mit geteiltem Wohlstand und Demokratie."

Der Crash der EU finde längst statt. So kollabiere das Schengen-System offener Grenzen im Zuge der Flüchtlingskrise. Politiker forderten einerseits die Türkei auf, ihre Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien zu öffnen, während sie gleichzeitig Griechenland drängten, die Grenzen zur Türkei abzuschotten. "Was haben sie vor? Soll die griechische Marine auf Flüchtlinge schießen ...? Oder wollen sie in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Konzentrationslager für Flüchtlinge schaffen, damit diese nicht nach Paris gehen können?" Das "Bild einer zerfallenden Europäischen Union" zeige sich auch an der Wirtschaftsfront. Der Bankensektor in der Eurozone zersplittere zunehmend und werde beherrscht von extremen Ungleichgewichten. "Unsere Politiker nennen etwas eine Bankenunion, die gar keine ist. Es ist eine Täuschung. Wir haben eine Desinformationskampagne über das, was wir tun. Das sind Orwellsche Zustände. Und die Leute denken: "Oh, jetzt haben wir eine Bankenunion!". Haben wir aber nicht. Wir sehen den Zerfall in Echtzeit."