24.08.2012
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Christian Felber, Autor ("Die Gemeinwohlökonomie", "Retten wir den Euro!" u.a.) und Mitbegründer von Attac Österreich

Die derzeitige Krisenpolitik führe unweigerlich zum Zerbrechen des Euro, sagt Christian Felber, Mitbegründer von Attac Österreich und Autor von "Retten wir den Euro!". Anstelle von unsinniger und unsozialer Sparpolitik müssten Vermögen, hohe Einkommen und Unternehmen europaweit stärker besteuert werden. Dadurch ließen sich in wenigen Jahren die Schulden in der Eurozone halbieren, so Felber. Um kurzfristig den Crash zu vermeiden, könnten Staaten, die sich  zur Vermögensabgabe verpflichten, eine Garantie der EZB für ihre Staatsanleihen erhalten - mit der Folge, dass die Zinsen dramatisch sinken würden und den Staaten neue Spielräume eröffnen würden.

Schon 1944 schlug der britische Ökonom John Maynard Keynes in Bretton Woods ein neues Weltwährungssystem vor, um Handelsungleichgewichte zu bekämpfen. Eine Komplementärwährung namens Bancor sollte zur weltweiten Verrechnungseinheit werden - anstelle der Leitwährung des US-Dollars. Wenn der Euro zerfällt, könnte dies auch eine Chance sein, das Weltwährungssystem mithilfe einer solchen Weltwährung - dem "Globo" - neu zu ordnen, so Felber. Das gäbe die Möglichkeit, nicht nur innerhalb der EU sondern weltweit Handelsungleichgewichte wie zwischen Deutschland und Südeuropa oder China und den USA auszugleichen.

Da die EU-Staaten in der Eurokrise bereits massiv gegen bestehende Verträge verstoßen, sei ein neuer Verfassungskonvent in der EU unausweichlich, sagt Christian Felber. Doch anders als beim Konvent 2002/2003 müsse es diesmal darum gehen, einen demokratisch legitimierten Prozess ins Leben zu rufen, der von der Bürgerinnen und Bürgern gestaltet wird, um neue Grundlagen für die EU zu schaffen. Attac Österreich hat Ende Juli 2012 eine entspechende Initiative vorgestellt.

80 Prozent der Deutschen wünschen sich nach Umfragen ein anderes Wirtschaftssystem, in Österreich sind die Zahlen ähnlich. Als Alternative zum gegenwärtigen Wirtschaftsmodell, dessen vorrangiges Ziel die Vermehrung von Geldvermögen ist, schlägt Felber die sogenannte "Gemeinwohlökonomie" vor, deren Ziel die Maximierung von Lebensqualität ist. An der Entwicklung der Gemeinwohlökonomie sind zurzeit etwa 700 Unternehmen und mehrere Tausend Privatpersonen und Organisationen in zehn Ländern beteiligt. Die Unternehmen erstellen eine Gemeinwohlbilanz, die soziale und ökologische Dimensionen berücksichtigt. Langfristiges Ziel ist es, dass die Unternehmen abhängig von dieser Bilanz leichteren oder schwereren Markzugang durch Steuerbelastung, Zölle u. dgl. erhalten.

Porsche-Manager Wiedeking verdiente 2011 etwa 6.000 mal so viel wie der Bezieher eines hypothetischen Mindestlohns von 10 Euro - also 60.000 Euro pro Stunde. Im Rahmen der Geimwohlökonomie schlägt Christian Felber eine Begrenzung der Einkommensungleichheit auf den Faktor 10 vor. Auch der Akkumulation von Vermögen und damit von politischer Macht müssten Grenzen gesetzt werden, um Demokratie und Freiheit für alle zu gewährleisten. Jede Freiheit - auch die Freiheit des Eigentums. - müsse ihre Grenze dort finden, wo sie die Freiheit anderer verletze.