18.10.2018
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Einleitung: 

Die EU sei im Korsett neoliberaler Verträge gefangen, die systematisch Konzerninteressen Vorrang vor sozialen Standards, Menschenrechten und Umweltschutz geben, so Lisa Mittendrein. Eine  sozial-ökologische Reform der Union sei faktisch unmöglich. Auf der anderen Seite biete ein Ausstieg aus EU oder Euro in den meisten Fällen keine Lösung. Um diesem Dilemma zu entrinnen, brauche es strategischen Ungehorsam, um öffentliche Interessen durchzusetzen, auch wenn sie mit EU-Recht in Konflikt geraten.

Gäste: 

Lisa Mittendrein, Soziologin und Ökonomin, Attac Österreich, Mitautorin des Buches Entzauberte Union. Warum die EU nicht zu retten und ein Austritt keine Lösung ist

Kapitalinteressen erhalten in der EU systematisch Vorrang vor sozialen Standards, Menschenrechten und Umweltschutz, so Lisa Mittendrein. Standortkonkurrenz und Steuerdumping treibe die Staaten in eine Spirale nach unten. Die Konstruktion des Euro erlaube es außerdem Exportländern wie Deutschland, die südeuropäischen Nachbarn durch Niedriglohnpolitik an die Wand zu drücken, massive Krisen dort seien die Folge. Diese Mechanismen sind, so Mittendrein, bereits in den europäischen Verträgen angelegt. Um sie im Sinne einer sozialen und ökologischen Wende zu ändern, bräuchte es einstimmige Beschlüsse im EU-Rat – die jedoch angesichts der rechten und neoliberalen Dominanz in der EU illusorisch sind.

Ein EU- oder Euro-Austritt könne in einigen südeuropäischen Ländern wie Griechenland unter bestimmten Bedingungen eine Option sein, um den Kürzungsdiktaten der Troika zu entgehen. In den meisten Fällen aber sei ein Austritt keine Lösung – zumal die Mehrzahl der nationalen Regierungen in der EU selbst neoliberal und rechts dominiert ist. Die ökonomischen und politischen Risiken seien außerdem gravierend. Um diesem Dilemma zu entrinnen, brauche es neue Strategien, so Lisa Mittendrein. Mit strategischem Ungehorsam gelte es, öffentliche Interessen durchzusetzen, auch wenn sie mit EU-Recht in Konflikt geraten, etwa wenn es darum geht, die Privatisierung von Bahn und Post zurückzunehmen. Neue Kooperationen jenseits von Nationalstaaten und EU – z.B. zwischen Städten und Kommunen – können den Wandel vorantreiben, starke soziale Bewegungen neoliberale Leuchtturmprojekte wie TTIP und CETA zu Fall bringen.

Die meisten Steuersümpfe,mit deren Hilfe Milliarden von Euro am Fiskus vorbei geschleust werden, gehören EU-Staaten an. Unternehmen wie Starbucks verschieben ihre Gewinne als Lizenzgebühren in Steueroasen wie die Niederlande und dann weiter nach Irland oder Malta. Die EU-Regierungen gehen kaum dagegen vor. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) etwa blockiert Transparenzregeln für Unternehmen. Im Bereich der Handelspolitik bündelt Attac Österreich derzeit den starken Widerstand gegen TTIP, CETA und das japanisch-europäische Abkommen JEFTA in eine Kampagne gegen Konzern-Sonderklagerechte und für eine andere Handelspolitik. Widerstand sei auch gegen den Fiskalpakt notwendig, der Sanktionen vorsieht, wenn nationale Haushalte von der EU-Kommission nicht genehmigt werden. Damit würden die demokratischen Rechte der Parlamente ausgehebelt.