11.07.2013
Share: mp3 | Embed video
Gäste: 
Alessane Dicko, Vereinigung der Vertriebenen aus Mali (AME)
Yayi Bayam Diouf, Frauenkollektiv COFLEC, Senegal
Sinda Garziz, Bewegung „Article 13“, Tunesien
Charles Heller, Watch the Med, GB/Tunesien
Abdul Kadir, Flüchtling aus dem Tschad im Lager Choucha, Tunesien
Judith Kopp, Pro Asyl, Frankfurt/M.
Firoze Manji, Chefredakteur von Pambazuka Press, Nairobi; ehem. Direktor von Amnesty International Afrika
Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung, Tübingen
Transkript: 

Gefördert von der Stiftung Nord-Süd-Brücken mit Mitteln des BMZ.

Jedes Jahr sterben an den EU-Außengrenzen Hunderte, manchmal Tausende von Migranten, insgesamt etwa 17.000 seit 1993. Menschen, die aus ihrer Heimat vor Bürgerkriegen, Klimachaos und hoher Arbeitslosigkeit fliehen, versuchen über das Mittelmeer, die kanarischen Inseln oder die Türkei nach Europa zu gelangen, um ein besseres Leben zu finden. Doch die EU versucht mit allen Mitteln die Einreise zu verhindern. Während EU-Bürger mit Leichtigkeit in beinahe alle Länder Afrikas reisen können, ist es für viele Afrikaner unmöglich, ein Visum für die EU zu bekommen. Viele wählen daher den gefährlichen Weg über das Meer. Doch die EU riegelt das Mittelmeer ab – und drängt die Flüchtlinge auf noch gefährlichere Routen.

Seit 2006 lautet der Auftrag der Grenzschutzagentur Frontex, „Flüchtlinge abzuwehren“. Frontex bildet auch einen zentralen Baustein für das europäische Grenzüberwachungssystem EUROSUR, das 2011 gegründet wurde, um weitere High-Tech-Überwachungstechnologien wie Landroboter einzuführen. Laut einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung belaufen sich die Gesamtkosten von EUROSUR auf etwa eine Milliarde Euro. Profiteure sind vor allem Rüstungsunternehmen. Alessane Dicko von der Vereinigung malischer Vertriebener wirft der EU Doppelzüngigkeit vor: Sie fördere scheinbar Freiheitsbestrebungen in Nordafrika, verhindere aber zugleich die Bewegungsfreiheit der Menschen. Die EU dränge überdies die Länder Nordafrikas zu verschärften Kontrollen in der Sahara, um Migranten aus südlicheren Ländern abzufangen, bevor sie überhaupt europäische Grenzen erreichen können.

Yayi Bayam Diouf aus dem Senegal berichtet vom Tod ihres Sohnes: Weil europäische Trawler die Fischgründe vor den Küsten Westafrikas leerfischten, sei die Fischerei im Senegal und in Mauretanien in der Krise. Für junge Menschen gebe es kaum eine Perspektive. Yayi Bayam Dioufs Sohn und seine Freunde versuchten daher, mit Einbäumen die kanarischen Inseln zu erreichen. Nach vier Tagen aus See erfasste sie kurz vor der Küste eine Welle, alle 80 Bootsinsassen ertranken. Yayi Bayam Diouf fordert von der EU die Körper der Ertrunkenen zurück – bisher ohne Antwort. Sie engagiert sich außerdem mit anderen Frauen für wirtschaftliche Chancen im Senegal und fordert ein Recht auf Freizügigkeit und die Abschaffung von Frontex.

Kein Meer ist so gut überwacht wie das Mittelmeer, nicht nur von Frontex, sondern auch von der NATO und den Küstenwachen. Dass trotzdem so viele Menschen ertrinken, liegt, so Charles Heller von der Organisation „Watch the Med“, an unterlassener Hilfeleistung. Ein Beispiel ist der Tod von 72 Migranten, die im März 2011 vor der libyschen Küste ertranken, obwohl sie längst von der Seeüberwachung erfasst waren und mehrfach Kontakt mit Schiffen und Hubschraubern hatten. „Watch the Med“ dokumentiert Menschrechtsverletzungen durch Frontex und andere Grenzschutzbehörden, um damit den Weg für eine Strafverfolgung der Verantwortlichen zu ebnen.