04.11.2011
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Aris Chatzistefanou, Filmemacher aus Athen, Regisseur des Dokumentarfilms "Debtocracy", der bereits von 1,5 Millionen Zuschauern in Griechenland und weltweit gesehen wurde
Ricardo Patiño, Außenminister der Republik Ecuador

Die Krise und die von der EU verordneten drastischen Sparmaßnahmen haben in Griechenland zu einer humanitären Krise geführt, sagt Aris Chatzistefanou unter Berufung auf die Organisation "Ärzte der Welt". Erstmals seit dem 2. Weltkrieg sei weit verbreitete Unterernährung von Kindern zu beobachten. Die sozialen Errungenschaften der letzten hundert Jahre würden zerstört. Verantwortlich sei zum einen ein krisenhaftes Weltfinanzsystem und eine Fehlkonstruktion der Eurozone; zum anderen die Sparauflagen durch EU, EZB und Internationalen Währungsfonds (IWF), der mit so genannten Strukturanpassungsmaßnahmen bereits in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens für Verarmung und Zerstörung sozialer Infrastruktur gesorgt hat - und für rigorose Privatisierung, wie sie nun auch in Griechenland, nach dem Modell der deutschen Treuhand, durchgeführt werden soll.

Für die hohe Verschuldung Griechenlands ist auch die Tatsache verantwortlich, dass Reiche, Großunternehmen und auch die Kirche kaum Steuern zahlen. Zugleich drängen Deutschland, Frankreich und andere Staaten Griechenland auch weiterhin zum Kauf von teuren Rüstungsgütern. Griechenland hat die sechst höchsten Rüstungsausgaben der Welt (pro Kopf). Die "Rettungspakete" der Troika hätten vor allem dem Zweck gedient, den Banken Zeit zu geben, ihre gefährdeten Staatsanleihen loszuwerden und das Risiko auf die Europäische Zentralbank und die Steuerzahler zu verlagern.
 

Jede Lösung der Krise würde für die Griechen hart werden, so Chatzistefanou. Ein Schuldenschnitt und die Streichung illegitimer Schulden sei der erste Schritt. Auch ein Austritt aus der Eurozone müsse erwogen werden, da der Euro bisher vor allem den Finanzinstitutionen und den Überschussländern diene. Da dies wiederum eine Pleitewelle der Banken zur Folge habe, müssten diese verstaatlicht werden. Entscheidend sei, dass die Bevölkerung die Initiative ergreife. Wenn dies weiterhin EU, EZB und IWF täten, würde es in eine Katastrophe führen. Die Proteste in Griechenland seien bei allen Unterschieden in den Zielsetzungen eng mit den Anliegen der Occupy-Bewegung verbunden.
 

Ecuador war noch Ende der neunziger Jahre das höchst verschuldetste Land Lateinamerikas. Doch unter der Regierung Correa gelang es nach 2007, die Schuldenlast um 70 Prozent zu reduzieren und so Mittel für Sozialausgaben und Infrastruktur frei zu machen. Im Zentrum dieses Prozesses stand ein Schuldenaudit, bei dem die Legitimität der Schulden bei privaten Banken, IWF und Weltbank geprüft wurde. Der größte Teil dieser Schulden wurde für illegitim befunden, Präsident Correa beschloss, nur etwa 30 Prozent davon zurückzuzahlen. Die befürchtete Klagewelle blieb aus, statt dessen konnte das Land aufatmen, berichtet Ricardo Patiño, der damals als Finanzminister der Kommission des Audits vorstand.