13.08.2015
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Introduction: 

Griechenland habe mit den jüngsten Kreditprogrammen zwar den Euro behalten aber die Demokratie verloren. Das Land sei zu einem Protektorat der anderen Eurostaaten degradiert worden. Die Troika-Institutionen agierten im rechtsfreien Raum, sie seien für keine ihrer Handlungen rechenschaftspflichtig, so Schumann. Die EZB verweigere bis heute Aufklärung über Korruptionsfälle. Der Bundesregierung gehe es mit dem dogmatischen Festhalten an einer ökonomisch widersinnigen Kürzungspolitik darum, an Syriza ein Exempel zu statuieren: Eine Alternative zum von Deutschland dominierten Krisenregime solle scheitern, um potentielle Nachahmer etwa in Italien, Frankreich oder Spanien abzuschrecken.

Guests: 

Harald Schumann, investigativer Journalist (Der Tagesspiegel), Buchautor ("Die Globalisierungsfalle", "Der globale Countdown") und Protagonist der Filme "Staatsgeheimnis Bankenrettung" und "Macht ohne Kontrolle"

Griechenland habe mit den jüngsten Kreditprogrammen zwar den Euro behalten aber die Demokratie verloren. Das Land sei de facto zu einem Protektorat der anderen Eurostaaten degradiert worden. Die Troika-Institutionen würden indessen weiter im rechtsfreien Raum agieren, sie seien für keine ihrer Handlungen rechenschaftspflichtig. Die EZB verweigert bis heute eine Stellungnahme zu der von Harald Schumann aufgedeckten zyprisch-griechischen Korruptionsaffäre, in die ein führendes EZB-Mitglied verwickelt war; nicht einmal ein internes Ermittlungsverfahren findet statt.

Das dogmatische Festhalten an einer Kürzungspolitik, die die Lage in Griechenland bisher nur verschlimmert hat, habe zwei zentrale Gründe, so Harald Schuman: Zum einen solle an Syriza ein Exempel statuiert werden, dass jede Regierung, die versucht, sich dem von Deutschland dominierten Krisenregime zu widersetzen, scheitern wird - um damit potentielle Nachahmer etwa in Italien, Frankreich oder Spanien abzuschrecken. Zum anderen hätten Teile der EU-Bürokratie durch das Krisenmanagement enorme Macht bekommen, die sie nicht mehr aufgeben wollen. Die europäische Sozialdemokratie habe sich währenddessen der neoliberalen Wettbewerbslogik unterworfen und sei unfähig echte Alternativen zu entwickeln.

Die EZB sei hauptverantwortlich für die Schließung griechischer Banken nach dem Referendum im Juli. Hauptaufgabe der EZB sei es, Banken liquide zu halten, sie habe in der Krise aber das Gegenteil getan und damit die griechische Wirtschaft weiter destabilisiert. Für die EZB sei es ein Leichtes, die Schuldenkrise Griechenlands zu beenden, immerhin würde die Zentralbank jeden Monat für 60 Mrd. € Schulden anderer Euro-Länder aufkaufen. Doch die EZB sei von Marktradikalen dominiert und nutze die Krise, um den europäischen Wohlfahrtsstaat auf ein Minimum zu reduzieren.

Der neu geschaffene griechische Treuhandfonds, der von den Gläubigern kontrolliert wird, sieht die Zwangsprivatisierung griechischen Staatsvermögens in Höhe von 50 Mrd. € innerhalb von 30 Jahren vor. Dazu gehört auch der Verkauf der rentablen griechischen Regionalflughäfen an den deutschen Staatskonzern Fraport. Das sei nichts Anderes als eine moderne Form der Kolonisierung, so Harald Schumann. Für Griechenland sei das langfristig ein Verlustgeschäft, dem Land würden nur die defizitären Flughäfen bleiben und Einnahmen verloren gehen.

Die Eurozone sei zutiefst undemokratisch und neoliberal geprägt. Doch eine Auflösung des Euro sei mit enormen Kosten verbunden und würde in eine schwere europaweite Rezession führen. Zu befürchten sei außerdem, dass nationalistische Kräfte weiter Auftrieb erhalten und Europa eine Neuauflage von Konflikten erlebt, die nach dem 2. Weltkrieg überwunden schienen. Daher sei ein Kampf für die Demokratisierung Europas notwendig - wozu auch ein gewähltes und mit allen parlamentarischen Rechten ausgestattetes Eurozonenparlament gehöre. Um die Bürgerferne einer solchen Institution zu überwinden, brauche es außerdem Bürgerentscheide.

Was die Berichterstattung über den Irak-Krieg für die US-Medien war, das sei der Fall Griechenland für die deutschen Medien: Versagen auf breiter Front. Durch Falschberichterstattung, diffamierende Berichte über griechische Politiker und rassistische Ressentiments sei ein Verteilungskonflikt in einen Konflikt zwischen Nationen umgedeutet worden. Elementare journalistische Grundsätze, wie die Hinterfragung von Quellen, seien nicht beachtet worden, so Harald Schumann.