26.03.2019
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Introduction: 

Seit 2015 hat die EU unter deutscher Führung das Abwehrsystem gegen Flüchtlinge erheblich verschärft. Nur noch wenige von ihnen schaffen es seitdem, EU-Territorium zu erreichen, um dort Schutz zu finden. Die zusätzliche Abschottung beruht auf mehreren Säulen: dem EU-Türkei-Deal, „Migrationsabkommen“ mit afrikanischen Staaten wie Niger, der Unterstützung für Länder wie Libyen, die Fliehende in Folterlagern zurückhalten, der Kriminalisierung der Seenotrettung und der abschreckenden Behandlung von Schutzsuchenden in der EU und Deutschland. Kontext TV sprach mit dem nigerianischen Flüchtlingsaktivisten Rex Osa, der Flucht- und Migrationsforscherin Leonie Jegen sowie Meral Zeller von Pro Asyl über den verschärften Kampf der EU gegen Flüchtlinge.

Guests: 

Rex Osa, Flüchtlingsaktivist aus Nigeria

Leonie Jegen, Migrationsforscherin an der UN-Universität in Brügge, Belgien

Meral Zeller, Pro Asyl

 

Rex Osa erzählt, wie er 2005 als Asylsuchender, verfolgt von seiner Regierung in Nigeria, in Deutschland in einem Schnellverfahren ohne Rechtsbeistand als Schutzsuchender abgelehnt wurde. „Dieselben Probleme mit Korruption und zermürbender Bürokratie wie in Nigeria, bloß besser organisiert.“ Er wehrte sich jedoch, so dass er heute nicht mehr von Abschiebung bedroht ist. Seitdem engagiert sich Osa politisch für Flüchtlinge, Flüchtlingsrechte und gegen die inhumane und unfaire Behandlung von Schutzsuchenden in Deutschland. So würden in laufenden Gerichtsprozessen eine Reihe von Rechtsbrüchen in deutschen Massenunterkünften und Lagern verhandelt. Die Schutzsuchenden würden in deutschen Ankerzentren wie in Konzentrationslagern behandelt. „Ich erwarte von einem europäischen Staat und von Deutschland mehr.“ Auch ist er aktiv in der sogenannten Oury-Jalloh-Initiative, die den Tod des Geflüchteten aus Sierra Leone in einer Polizeizelle in Dessau aufklären will. Es sei beschämend, dass der deutsche Staat über zehn Jahre hinweg die Misshandlungen nicht wirklich untersuche. Vor rund einem Jahr gründete er in Nigeria einen Initiative in Kooperation mit Abgeschobenen, um Leute vor Ort über die Realität in Europa zu informieren. Osa fordert, dass die ökonomischen Fluchtursachen, an denen auch Deutschland beteiligt sei, anerkannt werden sollten und zu einem anderen Umgang mit Migranten führen sollten.

Seit langem schon, und nun verstärkt seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“, versucht die EU Abkommen mit afrikanischen Ländern abzuschließen, um Flucht- und Migrationsbewegungen zu kontrollieren und Weiterreisen Richtung Europa zu stoppen. Dabei werden Gelder und Entwicklungshilfe als „Zuckerbrot und Peitsche“ eingesetzt, wie damals in Libyen unter Gaddafi, um afrikanische Staaten zu zwingen Flüchtende aufzuhalten. So hat Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, in den letzten Jahren eine zentrale Stellung im EU-Abwehrsystem erhalten, eine Art Labor für Migrationsabwehr und ein Auffangbecken für Menschen auf der Flucht. Aber zunehmend würden afrikanische Regierungen, die mit der EU kooperierten, wegen ihres Vorgehens gegen Flüchtende kritisiert, so Leonie Jegen, die in Afrika zu Flucht und Migration forscht. Deutschland und die EU trügen außerdem Verantwortung für die Folterlager in Libyen, kriminalisierten die Seenotrettung und finanzierten die libysche Küstenwache bei ihrem Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten. Sichere Wege für Flüchtlinge in die EU, wie immer wieder angekündigt, gebe es weiter nicht, während die Flüchtlingsabwehr vor allem wegen des EU-Türkei-Deals erfolgreich funktioniere, so Meral Zeller von Pro Asyl. Um die Situation für Flüchtlinge zu verbessern und die Verantwortung in Europa fair aufzuteilen, müsste das EU-Dublin-System grundlegend reformiert werden. Doch davon sei man im Moment weit entfernt, so Zeller und Jegen.