21.12.2015
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Einleitung: 

„Jeder, der den Klimagipfel als einen Erfolg bezeichnet, lebt in einer Phantasiewelt“, sagt Nicola Bullard, Aktivistin und Beobachterin der Verhandlungen in Paris. Die freiwilligen Emissionsreduzierungen werden selbst im besten Fall zu einer durchschnittlichen Erwärmung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert führen - mit katastrophalen Folgen für große Teile der Menschheit. „Sie verbrennen den Planten“, mahnt der ehemalige bolivianische Chefunterhändler Pablo Solón auf Kontext TV. Trotz Demonstrationsverbots gingen tausende Menschen aus der ganzen Welt während des UN-Klimagipfels in Paris auf die Straße. Sie protestierten gegen das Klimaabkommen und fordern eine klimagerechten Wende in den nächsten Jahren. „Mit dem, was hier entschieden wird, ist die Diskussion noch nicht beendet. Die Menschen haben das letzte Wort“ sagte eine Protestierende aus Schottland auf der Abschlussdemo vor dem Arc de Triomphe.

Gäste: 
Juliette Rousseau, Sprecherin "Coalition Climat 21"
Bill McKibben, Gründer 350.org
Nnimmo Bassey, Klimaaktivist aus Nigeria
Themba Austin Chauke, "La Via Campesina"
Pablo Solón, Ex-Klimaunterhändler von Bolivien
Nicola Bullard, Autorin und Aktivistin
Alice Bows-Larkin, Klimawissenschaftlerin "Tyndall Centre"
Mariama Williams, "The South Centre"
Tim Gore, Leiter Politik, "Oxfam International"
Kevin Anderson, Klimawissenschaftler u. Co-Direktor "Tyndall Centre"
Tadzio Müller, Klimaaktivist, "Rosa Luxemburg Stiftung"
Janet Redman, "Institute for Policy Studies"
Lyda Fernanda Forero, "Transnational Institute"

Trotz Demonstrationsverbots gingen tausende Menschen aus der ganzen Welt während des UN-Klimagipfels in Paris auf die Straße. Sie protestierten gegen das schwache Abkommen der Staaten, das die Erde um 3 bis 4 Grad in diesem Jahrhundert erwärmen wird. "Sie begehen ein Verbrechen gegen die Menschheit", sagt Themba Austin Chauke vom Bauernverband "La Via Campesina". Die Industrienationen müssen ihren Kurs ändern und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen, fordert eine Protestierende aus Edinburgh, Schottland auf der Abschlussdemonstration am Arc de Triomphe. "Wir werden auch in den nächsten Jahren weiterhin aktiv sein. Mit dem, was hier entschieden wird, ist die Diskussion noch nicht beendet. Die Menschen haben das letzte Wort." Juliette Rousseau, eine der Organisatorinnen der Protestaktionen, spricht von einer "Verhinderungslogik" nach den Pariser Anschlägen. Die französischen Behörden hätten mit Demoverboten, Durchsuchungen, Hausarresten von Aktivisten, dem Schließen der Grenzen und allgemeiner Kooperationsverweigerung die Zivilgesellschaft bei der COP 21 bewusst ausgebremst. "Das alles erweckt bei uns den Eindruck, dass sie nicht wollten, dass unsere kritischen Stimmen ihre 'Party runieren'."

Mit dem Pariser Klimaabkommen würde "der Planet verbrennen", so der ehemalige bolivianische Chefunterhändlder Pablo Solón. Die lediglich freiwilligen Emissionsreduzierungen würden selbst im besten Fall zu einer durchschnittlichen Erwärmung von drei bis vier Grad in diesem Jahrhundert führen - mit katastrophalen Folgen für große Teile der Menschheit. Die Reis- und Maisproduktion etwa könnte um 30 bis 40 Prozent einbrechen, so Alice Bows-Larkin vom britischen Tyndall Centre. Um das Zwei-Grad-Ziel noch erreichen zu können, müsse auch die EU wesentlich mehr tun: Statt der bisher angestrebten 40 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 würden mindestens 80 Prozent gebraucht, so der remmoierte Klimaforscher Kevin Anderson. Auch im Bereich der Finanzierung bietet das Pariser Abkommen keine gerechten Lösungen: Die vom Klimawandel am härtesten betroffenen Länder, die zugleich am wenigsten für seine Ursachen verantwortlich sind, erhalten keine Rechtsansprüche für Kompensierung. Die anvisierten 100 Milliarden Dollar jährlich für Anpassungskosten seien nur ein Bruchteil der realen Kosten, so Miriama Williams vom South Centre - und verschwindend im Verhältnis zu den Summen, die für Bankenrettungen ausgegeben wurden.

Um einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern zu können, braucht es einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbau, sowohl in der Produktion als auch im Konsum. Eine progressive Kohlenstoffsteuer etwa könnte übermäßigen Flugverkehr drosseln und auch in anderen Bereichen wirksamer sein als Emissionshandel. Aber nicht nur der Preis für Kohlenstoff muss steigen, es braucht auch direktes staatliches Eingreifen. In der Energieerzeugung ist ein rascher Ausstieg aus der Braunkohle - spätestens bis 2030 - nötig. In der Handelspolitik müssen "Freihandelsabkommen" wie TTIP verhindert werden, um eine weitere Zunahme des ressourcenfressenden Güterverkehrs zu stoppen, so Tadzio Müller von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Verkehrssektor gehe es um eine Abkehr vom Auto und von der Exportfixierung besonders in Deutschland. Und in der Landwirtschaft würde eine Wende von der klimaschädlichen industriellen Landwirtschaft hin zu einer kleinbäuerlich-biologischen Agrarproduktion weltweit erheblich dazu beitragen, den Planeten zu kühlen.